Machtkampf macht Polens Staatsfernsehen zum Gespött

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Der neue Chef des öffentlich-rechtlichen Fernsehens TVP in Polen, Boguslaw Szwedo, ist ein pflichtbewusster Mensch. Obwohl er ahnte, dass sich sein erster Arbeitstag schwierig gestalten wird, erschien der 51-jährige Konservative tadellos gekleidet und lächelnd am Montagvormittag vor der TVP-Zentrale in Warschau.

Die Gewerkschafter, die mit der alten Fernsehleitung im Clinch liegen, übergaben ihm demonstrativ einen Chef-Sessel zur Begrüßung. Doch dann hörte er Worte, die Vorgesetzte von ihren Untergebenen eher selten hören. "Sie dürfen nicht rein, es liegt kein gültiger Passierschein für Sie vor", sagte die Empfangsdame. Mehrere kräftige Werkschutzmitarbeiter standen in der Nähe bereit, um im Notfall Szwedo mit körperlichem Einsatz an der Tür zu stoppen.

Soweit kam es aber nicht. Nach einem erfolglosen Versuch, seinen Vorgänger Piotr Farfal, der seinen Posten nicht räumen will, ans Telefon zu kriegen, verließ Szwedo - weiter lächelnd - das Gebäude. Sein Anwalt, Jaroslaw Chalas, drohte mit "drastischen" Maßnahmen. Es gebe noch Polizei und Gerichtsvollzieher, sagte er. Szwedo war erst am vergangenen Samstag vom TVP-Aufsichtsrat zum Fernsehchef gewählt worden.

Das Spektakel, das sich vor laufenden Kameras der privaten Fernsehkonkurrenz abspielte, ist nur eine weitere Episode im langen Machtkampf um den begehrtesten polnischen TV-Sender. Denn jeden Abend verfolgen rund vier Millionen Polen die Hauptnachrichtensendung "Wiadomosci". Und auch andere Nachrichtensendungen wie "Panorama" oder "Teleexpress" haben ein Millionen-Stammpublikum. Das Staatsunternehmen mit 4.500 Beschäftigten und 1,8 Mrd. Zloty (ca. 430 Mio. Euro) Etat gilt als ein von allen Parteien hart umkämpfter Leckerbissen.

Die Nationalkonservativen von Jaroslaw Kaczynski hatten nach ihrem Doppelsieg bei Präsidenten- und Parlamentswahlen im Herbst 2005 die Führungsposten der Medien mit ihren Leuten besetzt. Weil sie auf eine Koalition mit der nationalistisch-katholischen Liga Polnischer Familien (LPR) und der populistischen "Selbstverteidigung" angewiesen waren, vergaben sie Posten auch an die Vertreter dieser Gruppierungen. Nach Kaczynskis Niederlage vor zwei Jahren tricksten die früheren Verbündeten seine Leute aus.

So konnte Farfal trotz einer rechtsradikalen Vergangenheit die Macht im Staatsfernsehen übernehmen. Der 31-Jährige aus Glogow in Niederschlesien hatte vor Jahren die Zeitschrift "Front" herausgegeben, in der gegen Juden und Minderheiten gehetzt wurde. Das Boulevardblatt "Fakt" veröffentlichte im Sommer Fotos, die Farfal mit Hitler-Gruß zeigten, aber auch das brachte ihn nicht zu Fall.

Mehrere Versuche der Regierungspartei Bürgerplattform (PO) von Donald Tusk, durch ein neues Gesetz die Situation in den Medien zu sanieren, scheiterten am Veto des Präsidenten Lech Kaczynski. Erst ein Bündnis zwischen Nationalkonservativen und Postkommunisten - bis vor kurzem noch verfeindete Lager - ermöglichte eine Entlassung Farfals.

Wer den TVP-Chefposten behalten darf, wird nun vor Gericht entschieden. Einen Verlierer gibt es allerdings bereits jetzt: das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Das monatelange Tauziehen, das den Sender zum Gespött der Medien und der Zuschauer machte, hat ihm sehr geschadet. Das sei das Ende des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Polen, urteilte Medienexperte Wieslaw Godzic. "Politiker tun alles, um TVP zu töten", schrieb der Publizist der Zeitung "Polska", Andrzej Godlewski. Es sei ein Wunder, dass der Sender noch lebt, kommentierte der Journalist.

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