Startschuss für Umfärbung der ORF-Gremien

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Bundeskanzler Werner Faymann (S) hat am 6. November wie erwartet gerade noch fristgerecht zur Nominierung von Kandidaten für die Wahl von sechs ORF-Publikumsräten aufgerufen. Mit einer entsprechenden Ausschreibung im Amtsblatt der "Wiener Zeitung" ist damit der Startschuss für die Neukonstituierung des ORF-Publikumsrats und die Umfärbung der ORF-Gremien gefallen.

Die Funktionsperiode des Gremiums läuft am 3. Februar 2010 aus, die erneute Wahl per Fax war bis zuletzt höchst umstritten. "Dass sie jetzt trotzdem durchgeführt wird, degradiert den nächsten Publikumsrat über seine sechs in den Stiftungsrat entsandten Mitglieder letztlich zum Stimmenbeschaffer für eine Geschäftsführung von Gnaden der SPÖ", kritisiert Andreas Kratschmar, Leiter des bürgerlichen "Freundeskreises" im ORF-Publikumsrat . "Das ist kein Stück Demokratie, das ist ein Stück Zynismus." Die SPÖ dürfte sich nicht zuletzt dank der erneuten Wahl und bei Beibehaltung der Gremienstruktur die absolute Mehrheit im entscheidenden ORF-Stiftungsrat sichern.

Direktwahl von sechs Mitgliedern

Als erstes steht nun die Direktwahl von sechs der 35 Mitglieder aus den Bereichen Bildung, Jugend, ältere Menschen, Familien, Sport und Konsumenten durch die ORF-Gebührenzahler an. Bis 26. November können laut Ausschreibung Wahlvorschläge von entsprechenden Organisationen beim Bundeskanzleramt eingereicht werden. Laut Fahrplan wird in Folge dessen die Qualifikation der vorgeschlagenen Kandidaten überprüft und am 4. Dezember werden die Daten an den ORF überreicht. Die Wahl zum Publikumsrat dürfte von 26. Jänner bis 2. Februar stattfinden. Ob die Gebührenzahler dabei neben dem Faxgerät ihre Stimme auch per E-Voting abgeben können, steht noch nicht fest.

Das erneute Ausschreiben der Wahl, die lediglich sechs von 35 Mitglieder des Publikumsrats betrifft, war im Vorfeld mehr als umstritten, auch im Gremium selbst. In einem gemeinsamen Schreiben plädierten die Publikumsräte aller Couleurs bereits vor einem Jahr an die Klubobleute, die Faxwahl zu überdenken. Die Direktwahl führe dazu, dass jene Persönlichkeiten kandidieren, die in der Öffentlichkeit bekannt sind, "die aber dann nach der Wahl aufgrund anderer Verpflichtungen häufiger als andere Mitglieder an der Sitzungsteilnahme verhindert sind", hieß es.

Nur mehr drei Kandidaten im Amt

Tatsächlich sind von den im Jahr 2005 gewählten Kandidaten nur mehr drei im Amt. Gewählt wurden damals von der SPÖ unterstützte Kandidaten: Erwin Steinhauer, Barbara Blaha, Fritz Muliar, Siegfried Meryn, Stephanie Graf sowie Harald Glatz. Letzterer schied aus dem Publikumsrat aus, weil er auch auf einem Regierungsticket in den ORF-Stiftungsrat einzog. Der inzwischen verstorbene Muliar hatte sein Amt Anfang des Jahres vor seinem Tod zurückgelegt, Steinhauer folgte im Juni. Die Nachbesetzung abhandengekommener Publikumsvertreter erfolgt durch den Bundeskanzler. Die Einsetzung von nicht-gewählten Personen stößt nicht nur dem VP-nahen Publikumsrat Kurt Noe-Nordberg sauer auf, der den Hinweis auf Demokratie bei der Publikumsratswahl "lächerlich" findet, wie er gegenüber der APA betonte.

Der Publikumsrat unter dem Vorsitz von Georg Weißmann kritisierte im Schreiben an die Klubobleute auch die Wahlberechtigung, nach der nur jene Personen wählen dürfen, die bei der GIS als Rundfunkteilnehmer registriert sind. Dadurch würden vier Millionen Österreicher vom Wahlrecht ausgeschlossen. Von den Wahlberechtigten macht auch nur ein Bruchteil von dem Recht Gebrauch. Zuletzt waren mehr als 3,1 Millionen Menschen aufgerufen, abgegeben wurden 191.081 Stimmen, 20.000 waren ungültig. Die Wahlbeteiligung lag bei 5,5 Prozent, die Kosten für die Wahl bei mehr als einer Millionen Euro, was einem finanziellen Aufwand von 7,10 Euro pro Stimme entspricht.

Wahlkosten bei fast einer Million Euro

Darüber, dass die Wahl per Fax nicht mehr zeitgemäß ist, herrsche im Publikumsrat "schon lange Einigkeit", so Andreas Kratschmar. Er sehe das Geld der Gebührenzahler "lieber ins schwächelnde Programm investiert". Die Kosten für die heurige Wahl dürften laut ORF-Insidern bei knapp unter einer Million Euro liegen.

Die Große Koalition hatte die Anregungen des Publikumsrats übrigens in ihr Regierungsabkommen vom November 2008 aufgenommen und sich darin für eine Optimierung der ORF-Gremien in Aufgabenstellung und Struktur ausgesprochen. "Die Auswahl der Publikumsräte durch Faxwahl soll überdacht werden, gleichfalls die Möglichkeit der Nominierung von Publikumsräten durch die Bundesregierung." Um die Faxwahl nicht durchführen zu müssen, bevor ein neues ORF-Gesetz gegebenenfalls die Neuordnung der ORF-Gremien regelt, hatte die ÖVP der SPÖ am Donnerstag vorgeschlagen, die Funktionsperiode des Publikumsrats per Initiativantrag um ein halbes Jahr zu verlängern.

Die SPÖ lehnte dies mit dem Hinweis auf das Demokratieelement ab. Dies könnte nicht zuletzt daran liegen, dass die SPÖ bei gleichbleibendem Wahl- und Beschickungsmodus der ORF-Gremien im nächsten Jahr sowohl im ORF-Publikumsrat als auch im Stiftungsrat die absolute Mehrheit holen dürfte. Die SPÖ könnte dann bei der nächsten ORF-Wahl im Jahr 2011 den ORF-Generaldirektor und dessen Geschäftsführung quasi im Alleingang bestellen.

Cap verteidigt ORF-Publikumsratswahl

SPÖ-Klubobmann und -Mediensprecher Josef Cap wehrt sich gegen den von konservativen Publikumsräten erhobenen Vorwurf, die Direktwahl von sechs ORF-Publikumsräten habe nichts mit Demokratie zu tun. Es wäre seiner Ansicht nach vielmehr "ein Affront den Wählerinnen und Wählern gegenüber, diese demokratische Wahlmöglichkeit ersatzlos zu streichen", so Cap am 6. November in einer Aussendung.

Nachdem sich die Gebührenzahler bei den bisher zwei durchgeführten Wahlgängen ausschließlich für SP-unterstützte Kandidaten entschieden haben, "die offensichtlich nicht allen genehm sind, soll wohl nach Meinung der Kritiker die Publikumsratswahl letztendlich ersatzlos gestrichen werden", glaubt Cap. "Noch bei Einführung durch die schwarz-blaue Bundesregierung im Jahr 2001 wurde uns die Publikumsratswahl als demokratische Errungenschaft und ein Zeichen der Entparteipolitisierung gepriesen."

"Wahlen künftig häufiger via Fax"

Laut Cap hat noch im Jahr 2001 der damalige Klubobmann Andreas Khol dafür plädiert, "Wahlentscheidungen künftig häufiger via Fax" zu treffen. Auch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) habe die Möglichkeit der direkten Mitbestimmung für die Bürger gelobt. Dass heute vor allem aus ÖVP-Reihen Kritik an der Wahl geübt wird, zeige für Cap "dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Immerhin haben bei der letzten Wahl zum Publikumsrat mehr als 191.000 Menschen ihre Stimme abgegeben".

Die ÖVP wollte das kostspielige Verfahren der Direktwahl von sechs Publikumsratsmitgliedern mit Hinweis auf die anstehende Gesetzesnovelle zumindest vertagen und die Funktionsperiode des Gremiums, die Anfang Februar ausläuft, um ein halbes Jahr verlängern. Dass man die Faxwahl überdenken müsse, haben im Publikumsrat selbst in der Vergangenheit Mitglieder aller Couleurs gefordert.

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