Werbebranche stürzt sich auf Twitter

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Es ist noch gar nicht lange her, da mussten die meisten Menschen das Wort Twitter zuerst einmal googeln. Seit den Unruhen nach den Wahlen im Iran ist der Internetdienst, über den Kurznachrichten per Handy auf Computerbildschirme in der ganzen Welt geschickt werden können, zur Nachrichtenquelle geworden, der Name ist ständig zu hören.

Während viele jetzt zum ersten Mal einen Blick auf die Twitter-Seite werfen, hat die Werbebranche sie schon längst ins Visier genommen. Denn genau wie im Internet-Netzwerk Facebook und in den Blog-Tagebüchern sind bei Twitter jede Menge potenzielle Käufer unterwegs. Aber die sind gar nicht so einfach einzufangen.

   "Werbung über solche Dienste ist sehr viel komplizierter als über klassische Medien", sagt Klaus Wilsberg vom Siegfried Vögele Institut für Dialogmarketing im hessischen Königstein, Aussteller bei einer Fachmesse für Direktmarketing in Nürnberg. "Werber müssen ihre Kunden sehr viel komplexer ansprechen." Längst sei es in der Branche gang und gäbe, sogenannte "crossmediale" Kampagnen zu fahren. Dabei werden die Kunden sowohl klassisch mit Plakaten und Zeitungsanzeigen, gleichzeitig aber auch mit TV-Werbespots, Werbung auf Internetseiten und möglichst auch noch E-Mail-Anschreiben im gleichen Design umgarnt.

   Doch die Flut von Spam-E-Mails und die Werbeschreie auf allen Kanälen bewirken oft das genaue Gegenteil des Geplanten: Die Leute wehren sich und schalten einfach ab. "Die Aufmerksamkeit für einzelne Medien sinkt. Die Frage ist: Wie erreichen sie Kunden, die übersättigt sind von den Medien?", sagt Wilsberg, Direktor des Vögele-Instituts, einer Tochter der Deutschen Post World Net. Die Antwort: Kunden müssen individueller angesprochen, Zielgruppen genauer ausfindig gemacht werden.

   Neuere Kommunikationsformen wie Twitter oder Facebook sind dazu nach Ansicht von Nikolaus von Graeve, Geschäftsführer einer auf E-Mail-Marketing spezialisierten Agentur aus Frankfurt am Main, bestens geeignet. Allerdings müssten die Firmen dafür umdenken - mit Massen-E-Mails sei es nicht mehr getan, erklärt er. "Die Inhalte zum Beispiel von Newslettern müssen Qualität haben, sie müssen spezifischere, präzisere Informationen enthalten."

Bis jetzt standhaft gegen Werbung

   Im Fall von Twitter ist es noch einmal komplizierter. Auf den meisten Internetseiten können einfach Werbeanzeigen geschaltet werden, zu sehen auf der Oberfläche, wenn die Seite aufgerufen wird. Als Facebook vor einiger Zeit für Anzeigen freigegeben wurde, ging ein Aufschrei durch die Benutzerschar, die keine Lust auf noch mehr Werbung im Netz hatte. Twitter allerdings bleibt derzeit noch standhaft. Obwohl sie täglich verlockende Angebote von Werbemachern bekommen, schreiben die Betreiber auf der Seite, vorerst noch ohne Werbung weitermachen zu wollen. In der momentanen "Entwicklungsphase" allerdings werde mehr Geld ausgegeben als eingenommen - irgendwann solle sich das aber auch ändern.

   Um trotzdem jetzt schon an die Twitter-Gemeinde heranzukommen, soll ähnlich gearbeitet werden wie bereits bei Facebook. Graeve erklärt: "Im Grunde haben heute Privatpersonen einen eigenen Newsletter." Wer auf Facebook oder Twitter aktiv ist, der ist mit zahlreichen Freunden verlinkt, denen er technisch mit einem Klick Informationen zuschicken kann - über sich selber, oder aber eben über ein Produkt. Bekommt nun ein Internetnutzer einen Newsletter von einer Firma, den er selber bestellt hat, soll es ihm so einfach wie möglich gemacht werden, seinen Freunden davon zu berichten.

   Allerdings ist diese Marketing-Form nicht für jeden das Richtige, meint Wilsberg. Medientrends werde es noch viele geben. Bevor Firmen aufspringen, sollten sie sich fragen: "Generiert dieses neue Medium auch Geschäft?" Im Iran sind derzeit sicher viele froh, dass Twitter noch nicht auf Werbung angewiesen ist.

Von Britta Gürke

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