Jugendherbergen: Doppelzimmer statt Schlafsaal

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Am 26. August 1909 wurde die Idee der Jugendherberge geboren: Der Lehrer Richard Schirrmann und seine Schülergruppe wurden auf ihrer Wandertour von Altena nach Aachen vom Regen überrascht und mussten in einer leerstehenden Dorfschule ihr Not-Nachtlager aufschlagen. Drei Jahre später wurde auf der Burg Altena die erste Jugendherberge errichtet; in Österreich gab es die erste ab 1946 in Mönichkirchen.

Mittlerweile gehören der Internationalen Jugendherbergsorganisation etwa 80 Länder mit insgesamt rund 4.000 Häusern an, wie der Bundesgeschäftsführer des Österreichischen Jugendherbergsverband (ÖJHV), Willy Schubert, im APA-Gespräch sagte.

"Jede Lagerstatt besteht aus einem straff mit Stroh gestopften Sack und Kopfpolster, zwei Betttüchern und einer Wolldecke. Jedes Kind wird angehalten, seine Lagerstatt wieder fein säuberlich in Ordnung zu bringen", erklärte Schirrmann noch im Jahre 1910. In der ersten Jugendherberge waren die massiven Betten noch dreistöckig.

Mittlerweile ist das längst überholt: Statt Mehrbett-Zimmern mit Etagendusche und Gangtoilette gibt es Familien- und Doppelzimmer mit Bad und WC; auch die Mithilfe beim Putzen in der Gastronomie oder das Säubern der Zimmer durch die Gäste "hat sich schnell aufgehört", sagte Schubert. Das sei nicht zuletzt wegen der Qualitätsstandards und der hygienischen Vorschriften nicht mehr haltbar.

"Geschlechtsneutrale Treppenaufstiege"

Trotzdem geistert in den Köpfen mancher Menschen noch die Vorstellung riesiger Schlafsäle herum: "Die gibt es nicht mehr. Stockbetten sind noch verbreitet, aber auch nicht mehr Stahlgestelle, sondern wohlgefälliges Holz", meinte der Geschäftsführer. Man geht eben mit der Zeit: "Früher war es ja auch nicht Standard, dass man Bad und WC in der eigenen Wohnung hatte - jetzt schon. Oder die sich ändernden Moralvorstellungen wie das gemeinsame Zimmer vor der Ehe, vor solchen Änderungen darf man sich nicht verschließen." So verschwanden hierzulande im Laufe der Zeit auch die "rosa Stiege" und die "blaue Stiege" in den Häusern - sie vereinigten sich zu geschlechtsneutralen Treppenaufstiegen.

In Österreich werden die Häuser eben vom ÖJHV sowie dem Österreichischen Jugendherbergswerk (ÖJHW) betreut, die im Österreichischen Jugendherbergsring (ÖJHR) zusammengeschlossen sind. Mittlerweile gibt es rund 100 heimische Jugendherbergen, zum Teil sind es Vertragshäuser. Im Vorjahr verzeichnete man insgesamt 1.645.522 Nächtigungen, 990.135 davon entfielen auf inländische Gäste.

Das Hauptklientel ist zwischen 15 und 30 Jahre alt, von Schubert geschätzte 70 Prozent sind Gruppenreisende, jeweils etwa 15 Prozent Familien und Einzelreisende. Gab es zuvor über die Jahre hinweg eine stetige Aufwärtsentwicklung, rechnet man heuer aufgrund der Wirtschaftskrise laut dem Bundesgeschäftsführer mit einem leichten Rückgang bei den Gästen.

In Deutschland zählt man rund 10 Mio. Übernachtungen jährlich, das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) hat rund 2 Mio. Mitglieder. Bundesweit gibt es derzeit rund 550 Häuser. Viele haben ein spezielles Profil wie z. B. Häuser mit "Kulturerlebnistreff". In Österreich gibt es solche "Themenherbergen" in der Regel nicht, aber zeitlich begrenzte Spezialangebote wie z. B. "Mutter-Kind-Ferien" oder "Diätwochen".

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