Salzburger Zentrum für Gastrosophie

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An der Uni Salzburg beschäftigen sich Wissenschafter mit Gastrosophie: Einem Gebiet, das sich am besten mit der Weisheit des Essens übersetzen lässt. Vor einem Jahr wurde ein Zentrum für Gastrosophie gegründet. Seither arbeitet das Team um Zentrumsleiter Lothar Kolmer unter anderem an einem Forschungsprojekt über die traditionelle europäische Diätik - das Gegenstück zur Traditionellen Chinesischen Ernährungslehre. "Wir wollen dieses alte Wissen erstmals systematisch erfassen", erklärte der Historiker Kolmer.

Der Hype um Hildegard von Bingen zeige, wie viel Interesse für dieses alte Wissen über gesundheitsfördernde Ernährung da ist. Die richtige Ernährung im Wechsel der Jahreszeiten sowie die Verwendung von bestimmten Zutaten oder Speisekombinationen, um bestimmte Wirkungen zu erzielen, hat auch in Europa eine lange Tradition. Das selbstverständliche Wissen darüber ist heute aber in Vergessenheit geraten. Dieses zu sammeln und zugänglich zu machen, ist ein Ziel des Projekts. Dazu werden unter anderem alte, handgeschriebene Kochbücher ausgewertet.

Ernährung in einen gesellschaftlichen Kontext zu stellen und interdisziplinär die damit verbundenen Themen zu behandeln, sieht Kolmer als eine wichtige Aufgabe der neuen Einrichtung. Dabei geht es auch um gesellschaftspolitisch brisante Fragen: Die Kosten des Gesundheitssystems hängen sehr stark mit richtiger oder falscher Ernährung zusammen. "Früher gab es bei uns Mangelernährung. Jetzt sind wir mit Fehl- und Falschernährung konfrontiert, was unsere Gesundheitssysteme zunehmend belastet und unfinanzierbar macht", sagte Kolmer. Ein Beispiel: "Wir arbeiten nicht mehr im Bergwerk. Trotzdem wird oft noch so gekocht, als bräuchte jemand Tausende Kalorien für sein Tagewerk", sagte Kolmer.

Die Gastrosophie-Forscher befassen sich auch mit regionalen Küchentraditionen. "Dabei ist es gar nicht so einfach zu definieren, was eine regionale Tradition wirklich ist", weiß Kolmer. Oft seien Gerichte der französischen Küche - die mehrere Jahrhunderte lang die Küchenmode maßgeblich geprägt hat - stark vereinfacht worden und hätten sich zu typischen regionalen Speisen entwickelt.

Das Zentrum startete im Herbst mit einem Universitätslehrgang für Gastrosophie. In fünf Semestern werden die 22 Teilnehmer mit einem "Master of Gastrosophie" abschließen. Das Interesse für diese berufsbegleitende Ausbildung sei sehr groß, ist Kolmer zufrieden. Im nächsten Wintersemester beginnt der nächste Lehrgang.

Um das Bewusstsein für gesunde Ernährung und qualitätvolle Lebensmittel einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln, denkt Kolmer auch an die Gründung eines gastrosophischen Clubs mit Vorträgen, Workshops, Ausflügen und Kochkursen. "Da könnte man sich in zwei Tagen einmal intensiv mit der mittelalterlichen Küche befassen. Mit den bei uns üblichen Ritteressen hat das nämlich überhaupt nichts zu tun", sagte Kolmer.

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