EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso ist vom Europaparlament für eine zweite fünfjährige Amtszeit an der Spitze der EU-Behörde wiedergewählt worden. Der portugiesische Konservative erhielt bei der geheimen Abstimmung am 16.9. in Straßburg eine absolute Mehrheit von 382 der insgesamt 736 Abgeordneten.
Nach seiner Wahl erklärte der 53-Jährige, er wolle zunächst das für 2.10. angesetzte Referendum über den Lissabon-Reformvertrag in Irland abwarten, bevor er mit der Zusammenstellung der nächsten Kommission beginnt.
"Die Kommissare werden bestellt, wenn Klarheit besteht, welchen Vertrag wir haben", sagte Barroso. Er könne daher jetzt noch keine verbindlichen Erklärungen abgeben, wolle aber bereits informelle Gespräche mit den Regierungschefs aufnehmen. Barroso betonte, die Wiederwahl durch das Europaparlament verleihe ihm noch mehr Energie und Autorität. In Zukunft wolle er für mehr Solidarität und gegen nationale Egoismen in der EU kämpfen.
"Mehr Stimmen als gedacht"
"Es gab mehr Stimmen als manche mitunter gedacht haben", sagte der portugiesische Konservative, der vor allem Kritik aus den Reihen der Sozialdemokraten, Grünen und Linken einstecken musste. Dass er auch die Unterstützung von tschechischen, britischen und polnischen Euroskeptikern erhielt, verteidigte Barroso. Er lehne zwar Extremismus und Populismus ab, nicht aber demokratische Kräfte.
Das Mandat der amtierenden EU-Kommission läuft Ende Oktober ab. Barroso sagte, die amtierende Kommission werde für einen Übergangszeitraum weiter die Geschäfte führen, denn Anfang November werde der Lissabon-Reformvertrag noch nicht in Kraft sein. Die gesamte neue EU-Kommission muss dann noch extra vom Europaparlament bestätigt werden.
Stabilität für Bewältigung der Krise
Der schwedische Ministerpräsident und amtierende EU-Vorsitzende Fredrik Reinfeldt begrüßte die Wahl Barrosos durch die Abgeordneten. Dies gebe der EU jene Stabilität, die sie zur Bewältigung der Klima- und Wirtschaftskrise brauche, erklärte er.
Die schwedische Europaministerin Cecilia Malmström ergänzte, sollte das Lissabon-Referendum in Irland positiv ausfallen und auch der tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus seine Zustimmung zu dem neuen Vertrag geben, wolle der schwedische EU-Vorsitz ein umfassendes Personalpaket beim EU-Gipfel am 29./30.10. zum Beschluss vorbereiten. Im Vorfeld des Gipfels sollte Barroso dann bereits eine Liste mit Kommissaren an das EU-Parlament übermitteln.
Zu besetzen sind unter anderem die Nachfolge des EU-Außenbeauftragten Javier Solana und - sollte der EU-Reformvertrag kommen - der neue Posten des EU-Ratspräsidenten. Für letzteren sind unter anderem der britische Ex-Premier Tony Blair und der niederländische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende im Gespräch.
"Klarer Auftrag für die Zukunft"
In Österreich gratulierte Vizekanzler Finanzminister Josef Pröll (V) Barroso zur Wiederwahl. "Die Wiederwahl des Kommissionspräsidenten Barroso durch eine absolute Mehrheit des europäischen Parlaments ist ein klarer Auftrag für die Zukunft Europas", betonte er. "Ein klares Votum für eine klare Linie", begrüßte der ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, Ernst Strasser, das Abstimmungsergebnis.
Die sozialdemokratischen EU-Abgeordneten Jörg Leichtfreid und Hannes Swoboda erklärten, sie hätten sich bei der Abstimmung enthalten. Die Zustimmung zur EU-Kommission werde nur erfolgen, in Bereichen wie Binnenmarkt oder Industrie "Persönlichkeiten zum Zuge kommen, die klare sozialdemokratische Zielsetzungen formulieren". Die grüne Europasprecherin Ulrike Lunacek erinnerte Barroso an sein Versprechen, dass es neben dem neuen Posten eines Klimakommissars einen Menschenrechtskommissar sowie einen "Migrationskommissar" geben soll.
SPE-Fraktionsvorsitzende Martin Schulz sagte laut dpa, Barroso sei "eine Fehlbesetzung". Es sei ein "Armutszeugnis", dass der Kommissionspräsident auch auf der Basis der Stimmen von Euroskeptikern gewählt sei. "Ich erwarte nichts von ihm", sagte Schulz. Für Barroso stimmten im Europaparlament vor allem Christdemokraten, Konservative und Liberale. 219 Abgeordnete, vor allem Grüne und Linke, votierten gegen Barroso. 117 Parlamentarier, die meisten davon Sozialdemokraten, hatten sich enthalten.