Unternehmen kommt auf Börsenwert von 28 Milliarden Dollar.
Bisher war 2019 für Börsenneulinge ein Jahr zum Vergessen - vor allem in Europa. Nun sorgt die Schweizer Medizintechnikfirma Alcon für einen Paukenschlag. Die vom Pharmariesen Novartis abgespaltene Augenheil-Tochter feierte am Dienstag in Zürich ihr Börsendebüt - und kam bei steigenden Kursen umgehend auf eine Marktkapitalisierung von umgerechnet rund 28 Mrd. Dollar (24,9 Mrd. Euro).
Damit ist der in Genf ansässige Konzern nicht nur der größte Neuzugang an der Schweizer Börse SIX seit neun Jahren, sondern auch eines der größten Börsenlistings der vergangenen Jahre in Europa. Auch weltweit spielt die auf Augenchirurgie und Kontaktlinsen spezialisierte Alcon ganz oben mit. Bisheriger Rekordhalter war der US-Mitfahrdienst Lyft, der bei seinem Börsengang im vergangenen Monat mit rund 24 Mrd. Dollar bewertet wurde.
Novartis verabschiedet mit Alcon ein ehemaliges Sorgenkind und schließt damit den Umbau zu einem ausschließlich auf Medikamente ausgerichteten Unternehmen ab. Das einst für mehr als 50 Mrd. Dollar von Nestle erworbene Geschäft hatte lange mit Wachstums- und Ertragsproblemen zu kämpfen, erst jüngst gelang die Trendwende. Von der durchwachsenen Vorgeschichte war beim Börsendebüt aber nichts zu spüren. Alcon übertraf selbst die optimistischsten Analystenannahmen. "Alcon ist definitiv eine attraktive Gelegenheit", sagte Johan Utterman, Fondsmanager beim Schweizer Vermögensverwalter Lombard Odier. Der Markt, in dem sich das Unternehmen tummele, verspreche gute Wachstumsraten und eine angemessene Rentabilität.
Regelmäßig Dividenden
Das 1945 im texanischen Fort Worth gegründete Unternehmen, dessen Aktien auch an der New Yorker Börse gehandelt werden, will regelmäßig Dividenden in Höhe von etwa zehn Prozent des bereinigten Nettogewinns zahlen. Zu den Konkurrenten des Weltmarktführer im Bereich Augenchirurgie gehören Johnson & Johnson, The Cooper Companies, Bausch Health und die deutsche Zeiss.
Zwar war Alcon kein klassisches Initial Public Offering (IPO), bei dem frisches Kapital eingesammelt wird. Stattdessen wurden den Novartis-Anlegern die Alcon-Aktien einfach ins Depot gebucht. Das Marktumfeld war hier also weniger wichtig. Allerdings sind Börsengänge im bisherigen Jahresverlauf in Europa generell äußerst dünn gesät. Konjunktursorgen, der US-chinesische Handelsstreit und das bevorstehende Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union bremsen die Risikofreude von Unternehmen und Investoren merklich. "Erst wenn sich dieser Nebel der Unsicherheit verzogen hat, kommen der deutsche und der europäische IPO-Markt wieder auf die Beine", sagt Martin Steinbach, Experte für Börsengänge bei der Beratungsfirma EY. Nach einer Erhebung seines Hauses kam das Emissionsvolumen in Europa im ersten Quartal mit einem Rückgang um 98 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum praktisch zum Erliegen.
In der vergangenen Woche wagte sich in der Schweiz bereits die Medizintechnikfirma Medacta an die Börse und sammelte rund 630 Mio. Dollar ein. In Deutschland schaffte es bisher noch kein einziger Neuling auf das Parkett: Die Hoffnung, dass die VW-Nutzfahrzeugtochter Traton mit einer milliardenschweren Emission das Eis brechen könnte, zerschlug sich mit der Absage Mitte März.
Weltweit verringerte sich das Emissionsvolumen im Startquartal um knapp drei Viertel. Neben der generellen Risikoscheu scheiterten Börsengänge aber auch an Sonderfaktoren. So verzögerte der längste Regierungsstillstand in der Geschichte der USA - der sogenannte Shutdown - die Genehmigung von IPOs.
Investmentbanker optimistisch
Noch ist nicht absehbar, wann das IPO-Karussel wieder richtig in Schwung kommt. Doch Investmentbanker zeigen sich grundsätzlich optimistisch. "Jetzt ist der Markt empfänglich für Aktien mit sehr guter Qualität", erklärt Manuel Ebner, der das Schweiz-Geschäft der Bank of America leitet. "Qualität äußert sich in einem guten Wachstum oder hohen Dividendenrenditen."
In den USA stehen bereits weitere prominente Börsenkandidaten in den Startlöchern - zum Beispiel der Lyft-Konkurrent Uber, dem Analysten deutlich mehr als 120 Mrd. Dollar Börsenwert zutrauen. Kandidaten für die Wall Street sind auch der Ferienwohnungs-Vermittler AirBnB und die Online-Foto-Plattform Pinterest. In der Schweiz will sich in der kommenden Woche der Zughersteller Stadler Rail auf das Parkett wagen. In Deutschland hält der Autozulieferer Continental bislang trotz des Abwärtstrends an den Automobilmärkten an seinen Plänen für einen Börsengang der Antriebssparte fest. Experten bezweifeln aber, dass dieser wie ursprünglich geplant bis Mitte dieses Jahres über die Bühne gehen wird. Der Autozulieferer Vibracoustic liebäugelt ebenfalls schon seit längerem mit einem Sprung aufs Parkett, aber auch hier sind Beobachter angesichts der Autokonjunktur eher skeptisch.
Börsenpläne hegen auch das Schweizer Softwareunternehmen SoftwareONE, die IT-Firma Frequentis aus Österreich oder die im bargeldlosen Zahlungsverkehr tätige Nexi aus Italien.