Polnischer Finanzminister verteidigt Rekorddefizit

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Der parteilose Finanzminister Jacek Rostowski steht für das größte Defizit in der Geschichte des Landes grade.

Das für 2010 veranschlagte Defizit von 52 Mrd. Zloty (12 Mrd. Euro) sei "eine späte Folge der Wirtschaftskrise", sagte Rostowski zum Auftakt der Parlamentsdebatte über das Budget. Die Opposition und Experten sehen das Haushaltsloch dagegen kritisch.

Bisher habe sich Polen auch in der Krise im Gegensatz zu den meisten anderen EU-Ländern sehr vorsichtig bei den Ausgaben gezeigt, so Rostowski. "Unser Weg hat sich als effektivste und billigste Methode im Kampf gegen die Krise gezeigt", erklärte der Minister.

Aber nun ließen sich unter anderem Infrastruktur-Maßnahmen nicht länger aufschieben. Im kommenden Jahr will die Regierung 31 Mrd. Zloty für den Straßenbau ausgeben. Andere Mehrausgaben wie die Anpassung von Pensionsleistungen sind vom Gesetz her vorgeschrieben.

Opposition sieht "Mogelpackung"

Nach Ansicht der rechtskonservativen Oppositionspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) ist der Haushalt eine Mogelpackung. Das Defizit sei in Wahrheit mehr als doppelt so hoch, so die PiS-Finanzexperten Aleksandra Natalli-Swiat, weil verschiedene Positionen aus dem Budget ausgeklammert seien, unter anderem die Schulden der Sozialversicherung FUS, die Kreditaufnahme des Straßenbau-Fonds und die geplante Verminderung der Rücklagen der Pensionskasse.

Kritik am Budget kommt auch vom oppositionellen "Bündnis der demokratischen Linken" (SLD) . "So ein großes Haushaltsloch hemmt unser Wachstum, die Annäherung an den Wohlstand in anderen EU-Ländern und den Ausgleich der sozialen Unterschiede", sagte der SLD-Vorsitzende Grzegorz Napieralski. Die Regierung schöne die Aussichten durch den Griff in die Rücklagen der Pensionskasse, um bei anstehenden Präsidentenwahlkampf bessere Chancen zu haben, so Napieralski.

"Zu hohe Sozialausgaben in Polen"

Der Ex-Finanzminister Leszek Balcerowicz, der den Umbau von der Plan- zur Marktwirtschaft entscheidend beeinflusste, prangerte in einem Interview für die Zeitung "Puls Biznesu" die seiner Ansicht zu hohen Sozialausgaben in Polen an. Sie führten dazu, dass die jährlichen Staatsausgaben 43 bis 44 % des BIP betragen und damit "viel höher sind als in weiter entwickelten Ländern zu der Zeit, als sie ein Pro-Kopf-Einkommen hatten wie wir heute", so Balcerowicz.

Die Nationalbank NBP hatte die Regierung bereits früher vor einem Budgetdefizit in der nun geplanten Größe gewarnt. Sie warnte davor, die Gesamtverschuldung könne damit 55 Prozent des Bruttoinlandsproduktes übersteigen, was durch die Verfassung untersagt ist. Laut Verfassung müsste die Regierung dann in den folgenden Jahren mit drastischen Maßnahmen gegensteuern.

Für heuer plante die Regierung ein Haushaltsdefizit von 27 Mrd. Zloty. Es werde jedoch voraussichtlich nur 22,5 Mrd. Zloty betragen, hieß es vor kurzem im Finanzministerium.

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