Wenn Griechenland seine Schulden nicht bezahlen kann

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An den Finanzmärkten wächst die Überzeugung, dass Griechenland seine Schulden umstrukturieren muss oder mittelfristig zahlungsunfähig wird.

Versicherungen gegen den Ausfall griechischer Schulden haben sich enorm verteuert, die Staatsanleihen selbst werden nur noch mit riesigen Abschlägen gehandelt. Nach Ansicht der Märkte kann die von EU und IWF in Aussicht gestellte Geldspritze über insgesamt 45 Mrd. Euro eine Zahlungsunfähigkeit für maximal ein bis drei Jahre hinauszögern. Die Märkte fürchten, dass das Land bis dahin seine Haushaltsprobleme nicht in den Griff bekommt und dann keine neue Notfallfinanzierung erhalten wird.

Falls Griechenland - oder ein anderes Land der Euro-Zone - seine Schulden nicht mehr bedienen kann, hat es folgende Optionen:

AUSGEHANDELTE UMSCHULDUNG (mittel- bis langfristig am wahrscheinlichsten): Griechenland würde eine Umstrukturierung mit seinen Gläubigern aushandeln, noch bevor es ihnen eine fällige Zahlung schuldig bleibt. Dabei müssten die Gläubiger - also die Besitzer griechischer Staatsanleihen - einen kräftigen Abschlag auf ihre Kredite an Griechenland hinnehmen, auch eine Verlängerung der Laufzeiten wäre möglich. Analysten halten in diesem Fall einen Abschlag von 20-40 % auf den Nominalwert der Papiere für wahrscheinlich. Das zweijährige griechische Papier kostete bereits am Mittwoch zeitweise nur noch gut 60 % seines Nennwertes.

MARKTREAKTION: Die Risikoaufschläge auf die Anleihen anderer hoch verschuldeter Länder würden kräftig steigen, da Anleger auch hier Abschläge befürchten müssten. Deutsche Staatsanleihen würden dagegen wahrscheinlich wegen ihres Status als sichere Anlage zulegen. Der Euro würde weiter an Wert einbüßen, viele Analysten halten in diesem Fall Kurse um 1,15 Dollar für wahrscheinlich.

UNILATERALE UMSCHULDUNG (höchst unwahrscheinlich): Griechenland könnte seinen Gläubigern ohne deren Zustimmung Abschläge oder Laufzeitverlängerungen verordnen. In der Vergangenheit führte diese Art der Umschuldung eher zu kräftigen Abschlägen ("Hair Cuts") für die Gläubiger als die ausgehandelte Variante. Griechenlands Wirtschaft könnte durch diesen Schritt in große Schwierigkeiten geraten - möglicherweise sieht die Regierung dann in einem Austritt aus der Euro-Zone die einzige Möglichkeit, die Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen. Der Schuldendienst würde sich in diesem Fall für Griechenland wahrscheinlich noch weiter verteuern, weil Gläubiger dann zusätzlich ein Währungsrisiko tragen müssen, wenn sie Griechenland Geld leihen.

MARKTREAKTION: Der Euro und die Anleihen anderer Länder würden noch stärker fallen, da Anleger die Gefahr höher einstufen würden, dass die Euro-Zone nicht dauerhaft Bestand hat.

VÖLLIGE ZAHLUNGSVERWEIGERUNG (höchst unwahrscheinlich): Rund 70 % der griechischen Staatsanleihen befinden sich in ausländischer Hand, die meisten davon innerhalb der Euro-Zone - vor allem bei deutschen und französischen Banken. Die EU würde deshalb alles tun, um dieses Szenario zu verhindern. Mit einer vollständigen Zahlungsverweigerung würde sich Griechenland außerdem für Jahre die Möglichkeit verbauen, sich am Kapitalmarkt Geld zu leihen - wie dies nach dem Zahlungsausfall Argentiniens 2001 der Fall war: Das Land konnte seitdem keine Anleihen in Dollar oder Euro verkaufen.

MARKTREAKTION: Der Euro könnte nach Einschätzung von Analysten in diesem Fall unter die Parität zum Dollar fallen. Auch vielen anderen Ländern könnte es in der Folge schwer fallen, am Kapitalmarkt überhaupt noch Geld zu bekommen.

ANDERE MÖGLICHKEITEN: Die EZB könnte Griechenland etwa Kredite zur Bedienung seiner Schulden bereitstellen oder selbst griechische Anleihen kaufen. Zudem könnte sie ihre Anforderungen an die als Sicherheiten akzeptierte Papiere weiter lockern und Staatsanleihen unabhängig von der Bonitätseinstufung des Schuldners akzeptieren. Solche Möglichkeiten werden jedoch von Analysten als höchst unwahrscheinlich eingestuft, da sie nur schwer erreichbare politische Entscheidungen erfordern würden.

Erschwerend kommt hinzu, dass mittlerweile viele Investoren mit Kreditausfallversicherungen (CDS) faktisch auf einen Zahlungsausfall wetten - sie haben deshalb ein starkes Interesse daran, dass dieser Fall tatsächlich eintritt.

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