Rein statistisch betrachtet haben die Europäer ihren heimisch gefangenen Fisch schon zur Jahreshälfte aufgegessen.
Der ungezügelte Appetit von Menschen in Industrieländern auf Fisch könnte nach einer Studie Hungerkrisen in ärmeren Weltregionen auslösen. Die Umweltorganisation WWF, die die Untersuchung in Auftrag gegeben hat, ruft deshalb zu besserem Fischerei-Management und gerechterer Verteilung auf.
"Überfischt und unterversorgt"
Verbraucher müssten dazu nicht unbedingt weniger Fisch essen, sondern stattdessen zu heimischem Fisch greifen, sagt Karoline Schacht vom WWF. Andernfalls könnten sich Millionen Menschen auf der Südhalbkugel, etwa im Senegal oder in Indonesien, 2050 den Fisch als Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten, warnen die Autoren des am Mittwoch veröffentlichten Berichts "Überfischt und unterversorgt".
Zwar lässt sich die Menge des weltweit gefangenen Fischs der Studie zufolge noch steigern, ohne dass die Bestände ausgelaugt würden. So könnte bis 2050 die jährliche Fangmenge von 101 Millionen Tonnen (2010) auf 137 Millionen Tonnen steigen. "Allerdings wird der gefangene Fisch sehr wahrscheinlich nicht unbedingt dort landen, wo die Menschen ihn zum Überleben brauchen", sagte Schacht.
Armut und Hunger in den betroffenen Ländern steigt
Stattdessen sei zu erwarten, dass Verbraucher in Industrieländern bei Engpässen einfach höhere Preise zahlten. "Reiche Länder werden sich auch in Zukunft "ihren" Fisch weiterhin leisten können, ärmere hingegen nicht", schreiben die Autoren von der Universität Kiel. Dadurch steige die Wahrscheinlichkeit von Armut und Hunger in den betroffenen Ländern. Dies könne auch zu politischer Instabilität führen.
Fisch als Einkommens- und Nahrungsquelle
Als gefährdet sieht die Studie vor allem Länder, in denen die Abhängigkeit von Fisch als Einkommens- und Nahrungsquelle besonders groß ist. Im Senegal oder in Indonesien etwa decken die Menschen bis zu 40 Prozent ihrer Aufnahme an tierischem Eiweiß durch Fisch ab. Auch andere westafrikanische Länder wie Guinea und Ghana sowie südostasiatische Staaten wie Malaysia, Myanmar und Bangladesch seien besonders abhängig vom Fisch.
31 Prozent der Fischbestände weltweit überfischt
Für eine optimale Bewirtschaftung der weltweiten Fischbestände braucht es laut Studie Höchstfangmengen, die Artenvielfalt wäre gesichert. Wenn sich wenig ändert, dann könnte laut Untersuchung jeder Erdenbürger 2050 rund zwölf Kilogramm Fisch pro Jahr essen - aber nur, wenn die Fangmenge gerecht verteilt würde. Das entspräche etwa der Verzehrmenge, die die Weltgesundheitsorganisation und zahlreiche Länder im Schnitt empfehlen.
Der hohe Bedarf an importiertem Fisch könnte sinken, "wenn die Fischbestände in den eigenen Gewässern der EU wieder in einem gesunden Zustand wären", sagt Schacht. Derzeit hätten die europäischen Verbraucher den Fisch aus eigenen Gewässern rein rechnerisch schon zur Jahresmitte aufgegessen. Der Rest werde dann importiert.
Heute gelten dem WWF zufolge 31 Prozent der Fischbestände weltweit als überfischt, 58 Prozent als gefährdet. "Fast überall werden heute mehr Fische gefangen als natürlich nachwachsen können", heißt es auf der Homepage der Umweltorganisation.