Das sagen die Experten

Ersetzen Food-Blogger Restaurantkritiker?

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Experten diskutierten über neue Berichterstattungs- und Geschäftsmodelle

Food-Blogs und Lokalbewertungen im Internet sind auf dem Vormarsch. War man früher auf Restaurantführer und Gastrokritiken in der Zeitung angewiesen, kann man sich heute mit einem Klick im Internet informieren. Die klassische Gastrokritik werden die neuen Modelle aber nicht ersetzen, glauben Vertreter beider Richtungen.

So änderte sich die Restaurantsuche
"Wenn jemand in den 70er-Jahren nach Wien gekommen ist, hat er an der Rezeption im Hotel gefragt, wohin er essen gehen soll. In den 90ern gab es die ersten Gastroführer und heutzutage hat sich der Besucher schon im Vorfeld im Internet über Apps oder Kundenbewertungsseiten wie TripAdvisor informiert", fasste "Falstaff"-Online-Chefredakteur Bernhard Degen, der das Gespräch moderierte, die Entwicklungen zusammen.

Gastronom Plachutta sieht in den Blogs keine Konkurrenz für Kritikerpäpste
Dass die Zeit der Kritikerpäpste durch das Internet vorbei ist, glaubt Gastronom Mario Plachutta nicht. Nur sie hätten profundes Wissen, das man für eine Restaurantkritik brauche, meinte Plachutta. "Genauso legitim", aber mit einer anderen Zielsetzung sieht er neue Formen im Internet. Im Urlaub informiere auch er sich über TripAdvisor. "Ich glaube nicht, dass das eine das andere auslöschen wird."

Das sagen die Blogger
Anna Zora und Esa Lotte, die gemeinsam den Blog eingebrocktundausgeloeffelt.com betreiben, beschäftigen sich "ganzheitlich mit dem Thema Ernährung". "Wir möchten keine reine Rezeptdatenbank sein und auch nicht Gastronomiekritik ausüben", erklärte Esa Lotte. "Wir wollen die Konsumenten schulen." Genau wie für Thomas Weber, Herausgeber des Magazin "Biorama", der "Essen auch als politischen Akt sieht", sind ihnen Nachhaltigkeit und Bioprodukte wichtig. Die Vorteile eines Blogs gegenüber der Kritik in der Zeitung sehen sie vor allem in der größeren Gestaltungsfreiheit.

Finanzielle Angebote für Blogs könnten Rezensionen verfälschen
Auch die Frage, wie das Geschäftsmodell für Food-Blogger aussieht, beschäftigte das Podium. Anna und Esa verdienen im Moment kein Geld mit ihrem Blog, entsprechende Angebote lehnen sie ab, was sie unabhängig mache. "Wir sehen, dass grundsätzlich ein großes Potenzial in diesem Geschäftsmodell stecken kann", sagte Esa. Seit sie die Auszeichnung gewonnen haben, bekämen sie regelmäßig Produkte zur Bewertung zugeschickt und wöchentlich Anfragen von Agenturen, die Lebensmittelketten oder Lokale vermitteln und Geld für Berichterstattung bezahlen.

Das Problem der unredlichen Berichterstattung sieht auch Plachutta. "Wir bekommen Angebote von Agenturen, wo wir Blogger um 20.000 bis 40.000 Euro ankaufen können, damit die dann über uns berichten", erzählte er.

Gastrokritiker sind tendenziell zu freundlich
Vor Product Placement und einer Verhaberung mit den Köchen beispielsweise sei aber auch der klassische Gastrojournalismus nicht gefeit, meinte "News"-Redakteur Severin Corti, der außerdem eine wöchentliche Gastrokritik im "Standard" veröffentlicht. Er sieht in Food-Blogs die Chance, "ein richtiges Schandmaul zu sein und endlich einmal zu sagen, was überhaupt nicht gut ist an Essen und Restaurants". Die Lesererwartung an Restaurantkritiker sei nämlich eine andere, da gehe es vor allem darum, was das neue Lokal ist, über das man mit den Freunden reden kann. "Gastrokritiker sind tendenziell zu freundlich", so Corti.

Am Ende entscheidet die Qualität des Restaurants
Dass weder Food-Blogs noch Gastrokritiken steuern können, wie ein Lokal bei den Besuchern ankommt, glaubt Plachutta. "Am Ende des Tages müssen alle den Wahrheitsbeweis liefern", sagte er. "Wer gut ist, kann nicht schlecht gemacht werden und wer schlecht ist nicht gut", ist er überzeugt.

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