Forscher: Trotzdem sind bei der Entstehung von Tumoren oft schädliche Lebensweise und Umweltfaktoren ausschlaggebend
Viele der Erbgutveränderungen, die zu Krebs führen, sind reines Pech für die Betroffenen. Sie entstehen durch Kopierfehler während der Zellteilung und sind nicht erblich oder durch schädliche Umweltfaktoren bedingt, berichten US-Forscher im Fachmagazin "Science". Trotzdem sei Krebs durch eine gesunde Lebensweise oft vermeidbar, so der österreichische Biomathematiker Martin Nowak ebendort.
Abschreibfehler beim Kopieren der Erbinformationen
Ein Team um Bert Vogelstein vom Howard Hughes Medical Institute in Baltimore (USA) hat Krebs-Daten aus 69 Ländern (inklusive Österreich) auf sechs Kontinenten untersucht, mit denen quasi ein Drittel der Weltbevölkerung abgedeckt ist. Sie fanden heraus, dass nicht die teils sehr verschiedenen Lebens- und Umweltbedingungen in diesen Ländern oder die genetischen Unterschiede der Bevölkerungen am besten mit der Entstehung von vielen Krebs-Mutationen korrelierten, sondern vor allem die Anzahl der Zellteilungen der Stammzellen. Statistisch gesehen führen demnach "ganz normale" Abschreibfehler beim Kopieren der Erbinformationen zu zwei Dritteln der Genveränderungen, in deren Folge sich ein Tumor bildet, erklären sie.
Früherkennung aber auch "Primärprävention" wichtig
In der Praxis bedeute dies, dass man die Früherkennung und Behandlung im Anfangsstadium (Sekundärprävention) verbessern sollte, so die Forscher. Bei Krebsarten, wo fast alle Mutationen auf solche Abschreibfehler zurückzuführen sind, wie etwa Prostatakarzinome, seien dies wohl die einzige Optionen, die Heilungschancen zu verbessern. Bei anderen Krebstypen, wie zum Beispiel Lungenkrebs, wo vor allem eine ungesunde Lebensweise (Rauchen) ausschlaggebend ist, sei die "Primärprävention" (sich nicht schädlichen Umweltbedingungen auszusetzen) weiterhin die effektivste Art, die Zahl der Krebstode zu verringern.
Wenn zwei Drittel der zu Tumoren führenden Genveränderungen beim Kopieren passieren, heißt das nicht unbedingt, dass Krebs in solchen Fällen unabwendbar wäre, erklärte Nowak, der an der Harvard University (USA) forscht, im Gespräch mit der APA. Oft seien mehrere Mutationen gleichzeitig für die Entartung von Zellen nötig. Wenn auch nur eine davon auf Umweltfaktoren zurückzuführen ist, sei der Krebs vermeidbar.
Schon bei einer früheren Studie mit Krebs-Daten ausschließlich aus den USA zeigten Vogelstein und Kollegen, dass ein Großteil der Mutationen reines "Pech" sind, und wurden dabei missverstanden und kritisiert, so Nowak. Auch die aktuelle Arbeit würde nun wahrscheinlich reichlich diskutiert. "Es wäre aber genau so unangemessen, das Krebsrisiko ohne den Einfluss von Pech verstehen zu wollen, wie wenn man Umwelt- oder erbliche Faktoren nicht berücksichtigt", schrieb er in seinem begleitenden Kommentar in "Science".