"Godmother of Punk" will auch mit 60 nicht zur "Altersrassistin" werden.
Es kommt nicht häufig vor, dass Nina Hagen um eine Antwort ringt. Doch bei der Frage, wie man sich benimmt, wenn man realisiert, dass man 60 Jahre alt geworden ist, gerät sie ins Stocken. "Wahrscheinlich wie immer, aber auf keinen Fall wie ein Altersrassist", lautet die Prognose auf ihrer Facebook-Seite. Am 11. März wird die Sängerin und Schauspielerin es wissen, dann steht ihr Geburtstag an.
Kindheit in der DDR
Als "Altersrassistin" oder anderweitig engstirnige Mitbürgerin kann man sich die 1955 in Ost-Berlin geborene Catharina Hagen auch kaum vorstellen. Die Tochter der Schauspielerin Eva-Maria Hagen und des Schriftstellers Hans Hagen erinnerte sich in der Zeitung "BZ" an "zwar voll crazy stalinistische, aber behütete" erste Lebensjahre in der DDR, doch ihr Ausbruch aus dem Kanon volkseigener Benimmregeln war früh angelegt.
"Verhindern!", lautete die Vorgabe des Staatssicherheitsbeamten auf ihrem Antrag zur Aufnahme in die Schauspielschule Anfang der siebziger Jahre. Eine wie sie, die schon mit zwölf Jahren "unehrenhaft" aus dem kommunistischen Jugendverband FDJ geflogen und zudem die Ziehtochter des abtrünnigen Liedermachers Wolf Biermann war, sollte nicht auch noch gefördert werden.
"Du hast den Farbfilm vergessen"
Nur verhindern konnten die DDR-Offiziellen Nina Hagen nicht. Nach ersten Banderfahrungen im benachbarten Polen bekam sie schließlich doch ihre Gesangsausbildung. Und mit dem Ohrwurm "Du hast den Farbfilm vergessen" beförderte sie sich ins kollektive Bewusstsein der DDR. Da war sie gerade mal 19.
Nach der Ausweisung Biermanns 1976 hielt aber auch Nina und ihre Mutter Eva-Maria nichts mehr in der DDR. Ihr Weg nach Westen führte Hagen zunächst nach London, wo sie in die damals aufkeimenden Punk-Kultur eintauchte, und dann nach West-Berlin. Mit Liedern wie "TV Glotzer" machte sie auch hier schnell klar, dass ihr die Attrappe der heilen Welt nicht nur im Osten zuwider war. Mit ihrer "Nina Hagen Band" legte sie nebenbei einen Grundstein der Neuen Deutschen Welle.
In die USA augewandert
Ihren Lebensmittelpunkt verlegte Nina Hagen in den Folgejahren in die USA, wo sie mit englischsprachigen Titeln kommerzielle Erfolge feierte und 1981 auch Tochter Cosma Shiva zur Welt brachte. Der Kontakt in die Londoner Szene brach aber nie ab und brachte der schrillen Göre aus dem Ostblock auch künstlerische Achtung: Bald galt sie als "Godmother of Punk" - als Patin des Punks.
Mittlerweile auch Mutter eines zweiten Kindes, zog es sie zurück nach Europa - aber auch nach Indien, ein Land, das sie als ihre "spirituelle Mutter" bezeichnete. Mit der Hinwendung zu Hinduismus und Hare Krishna einher gingen verschiedenste Fernsehauftritte, bei denen sie es schaffte, auch ganz und gar unpunkigen TV-Formaten wie der Castingshow "Popstars" eine wohltuende Note Irrsinn zu verleihen.
"Bekenntnisse: Mein Weg zu Gott"
Zwei kurze Ehen mit jeweils erheblich jüngeren Partnern später verblüffte Nina Hagen 2009 alle Welt, als sie sich evangelisch taufen ließ und neben dem viel gelobten Album "Personal Jesus" eine Autobiografie mit dem Titel "Bekenntnisse: Mein Weg zu Gott" vorlegte. "Jesus haben sie auch nicht ernst genommen", entgegnete sie später in der Zeitschrift "Melodie und Rhythmus" jenen, die an ihrer Bekehrung zweifelten.
Am Vorabend ihres Ehrentags drängt es Nina Hagen natürlich wieder ins Rampenlicht. Im Berliner Ensemble will sie unter anderem mit Freundin Meret Becker Auszüge von Bertolt Brecht aufführen. Dies und vieles andere verrät Nina Hagen mit dem Eifer einer Teenagerin beim sozialen Netzwerk Facebook, das sie auch rege zur Verbreitung ihrer politischen Einwürfe nutzt. Dabei hält sie unbeirrt das Punkerideal aufrecht, dass sich Friedens- und Chaosliebe nicht ausschließen müssen.