Der deutsche Regisseur Christoph Schlingensief hadert: "So viele Träume und so wenig Zeit."
"Die Krankheit ist zurück, und dennoch bin ich gut drauf und habe Kraft für meine nächsten Projekte." Mit diesen Worten beschreibt der an Lungenkrebs erkrankte Regisseur Christoph Schlingensief den jüngsten Rückschlag im Genesungsprozess. "Das neue Ergebnis der Untersuchung ist traurig für meine Frau und mich, aber ich will jetzt öffentlich nicht mehr viel darüber jammern, sondern andere ermutigen und mich selbst vielmehr auf mein Afrika-Projekt konzentrieren", so Schlingensief.
"So viele Träume und so wenig Zeit", sagte der 48-Jährige in der Sendung. Erst am 1. August hatte er seine langjährige künstlerische Mitarbeiterin Aino Laberenz geheiratet.
"Elementarer Schlag"
Er möchte die Angst vor der
Zukunft nicht auf den Krebs reduziert wissen. "Es ist doch die zentrale
Frage heutzutage für viele Menschen ganz allgemein, wenn sie ihren
Arbeitsplatz verlieren, in den Sog der Finanz- und Wirtschaftskrise geraten,
also den Boden unter den Füßen verlieren. Jeder Mensch kann von einem
elementaren Schlag getroffen werden, wo er über die Zukunft plötzlich völlig
neu nachdenken muss."
"Das sieht nicht gut aus"
Einen Rückfall im
Genesungsprozess hatte Schlingensief schon einmal im vergangenen Dezember
erlitten. "Der Stand der Dinge ist, dass ich circa zehn neue erbsengroße
Metastasen habe in dem einen Lungenflügel, der mir nach meiner Operation
geblieben ist. Das sieht nicht gut aus", hatte Schlingensief damals in einem
Interview gesagt. Er sei gerade dabei gewesen, wieder ins Leben
zurückzukommen.
"So viele Träume und so wenig Zeit"
Mit einem
speziellen Krebsmedikament waren die Metastasen zwischenzeitlich zum
Verschwinden gebracht worden. Das erlaube "einen optimistischen Blick nach
vorn", aber es gebe auch unliebsame Nebeneffekte, wie sein Verleger Helge
Malchow bei der Vorstellung von Schlingensiefs "Tagebuch einer
Krebserkrankung" im April gesagt hatte. Er verspüre jetzt natürlich einen
"stärkeren Zeitdruck", sagte der Regisseur. Mit dem jetzigen Rückfall habe
er nicht gerechnet.
Festspielhaus in Afrika
Für sein Projekt eines Festspielhauses in
Afrika hat Schlingensief, der von 2004 bis 2007 bei den Bayreuther
Festspielen mit seiner "Parsifal"-Inszenierung für Furore gesorgt hatte,
jetzt auch die Unterstützung des Berliner Staatsopernchefs Daniel Barenboim
erhalten. Schon zuvor hatten ihm Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD)
und das Goethe-Institut ihre Unterstützung signalisiert. Vermutlich werde er
das Projekt in Burkina Faso verwirklichen. Dazu soll es auch einen Vertrag
mit der dortigen Regierung geben, "damit es keine Entwicklungshilfe wird,
die irgendwie wieder woanders versickert". Das Projekt soll bis Dezember "in
trockenen Tüchern" sein.
Das Festspielhaus wird sowohl afrikanischen als auch Künstlern von anderen Kontinenten zur Verfügung stehen. Darüber ist Schlingensief auch mit dem schwedischen und teilweise in Afrika lebenden Schriftsteller Henning Mankell in Kontakt.
Zu dem afrikanischen Projekt hatte Aino Laberenz früher bei Beckmann einmal gesagt: "Wir haben dieses Abkommen, wenn alles scheiße ist, wenn gar nichts mehr geht, wenn es so aussieht, dass er klar stirbt, habe ich ihm versprochen, dass wir dann gemeinsam nach Afrika fahren und man hier die letzten Stunden verlebt."
Zuletzt hatte Schlingensief in verschiedenen Theater-Inszenierungen ("Die Kirche der Angst vor dem Fremden in mir" und "Mea culpa") bei der Ruhrtriennale in Duisburg und am Wiener Burgtheater seine Krebserkrankung künstlerisch verarbeitet.