Bayreuther Festspiele

Frank Castorfs "Walküre" bejubelt

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Regisseur vollzieht Bruch zum "Rheingold" und gewinnt Zuseherherzen.

Frank Castorf bedient keine Erwartungshaltungen. Nach dem mit Buhrufen bedachten Freitag-Auftakt zur "Ring"-Tetralogie in Bayreuth legte der Intendant der Berliner Volksbühne am Samstagabend eine gänzlich anders gelagerte Deutung der "Walküre" vor. Hatte er im "Rheingold" noch die mythische Göttergeschichte in das Gewand eines großen Hollywood-Gangsterepos gekleidet, präsentierte sich der zweite Teil des Zyklus als beinahe traditionell ausgeführtes, handwerklich äußerst solides Musiktheater. Das Publikum goutierte die Entscheidung mit vereinzelten Bravo-Rufen und Applaus, obwohl Castorf auch diese erneut nicht persönlich in Empfang nahm.

Die Walküre im Wilden Westen  

Anstelle eines Ensemblekrimis in einem amerikanischen Motel verlegt Castorf seine "Walküre" in das Ambiente einer Wild-West-Scheune samt lebendem Truthahn, die sich im Laufe des Abends zu einem aserbaidschanischen Bohrdorf wandelt - und mit ihr entsprechend die Kostüme der Darsteller. Der rote Faden, der die verschiedenen Teile seiner Neufassungen der "Ring"-Saga verbindet, sei das Erdöl, das Gold des 21. Jahrhunderts, wie Castorf im Vorfeld ankündigte.

Walküre weniger amüsant
Deshalb laufen hie und da russische Arbeiterfilme in den vielen Ebenen des monumentalen Holzbaus. Insgesamt spielt das Videoelement in der "Walküre" aber eine deutlich geringere Rolle. Das Medium kommt spät und wird auch dann vornehmlich an neuralgischen Punkten, jedoch nicht mehr flächendeckend wie im "Rheingold" eingesetzt. Castorf bleibt für seine Verhältnisse beim bisherigen "Ring" erstaunlich stringent innerhalb der einzelnen Werke. Das für den Regisseur charakteristische Fragmentarische findet sich über die einzelnen Werke hinweg, nicht innerhalb der einzelnen Opern. Diese "Walküre" ist weit weniger witzig als das "Rheingold", sondern dem Stückrhythmus entsprechend getragener.

Drehbühne peppt Stück auf
Letztlich handelt es sich um eine Inszenierung klassischen Zuschnitts mit herausragender Personenführung. Nie stehen die Personen unbeteiligt im Bühnenraum, stets schafft es Castorf, die Sänger motiviert in Bewegung zu halten. Selbst der schwergewichtige Johan Botha wirkt bei Castorf agil, was durch den Umstand begünstigt wird, dass mittels Drehbühne das Bühnenbild sich um den Sänger herum bewegen kann.

Mimen begeisterten Publikum
Anja Kampe entpuppte sich als Sieglinde mit starkem, klarem, wenn auch etwas vibratolastigem Sopran als Liebling des Publikums. Wolfgang Koch begann den Abend in einer optischen Montur, die an Amish-Älteste erinnerte, und endete glatt rasiert in einer Aufmachung, die an Paulus Manker gemahnte, wobei er sich erneut als wendungsreicher, extrovertierter Bariton empfahl. Die Akzeptanz des Bayreuther Publikums für die ehemalige Hebamme Catherine Foster in der Rolle der Brünnhilde stellte sich im Laufe des Abends hingegen als schwere Geburt heraus, auch wenn sich die Britin letztlich mit frappanter Leichtigkeit in der Stimmführung und hoher Textverständlichkeit als eine der führenden Sängerinnen ihres Fachs etablierte.

Kirill Petrenko spaltet Meinungen  
Erneut unumstritten blieb die Leistung von Kirill Petrenko am Pult, zumal der aus Sibirien stammende Dirigent bei seinem Debüt abermals eine Meisterschaft unter Beweis stellte, den schwierigen Balanceakt zwischen Orchester- und Bühnenklang im Festspielhaus fast spielerisch zu bewältigen. Insgesamt legt er eine vielfarbige "Walküre" vor, die von samtig bis zu hartem Ausbrechen alles beinhaltet, was das Leben zu bieten hat. Am Montag (29. Juli) folgt nun die Premiere des "Siegfried", bevor am Mittwoch (31. Juli) die "Götterdämmerung" den Abschluss bildet. Dann dürfte es vermutlich auch Castorf selbst vor den Vorhang locken.

Info
"Die Walküre" von Richard Wagner im Festspielhaus, Festspielhügel, 95445 Bayreuth unter Dirigent Kirill Petrenko. Regie: Frank Castorf, Bühnenbild: Aleksandar Denic, Kostüme: Adriana Braga Peretzki, Licht: Rainer Casper. Mit Johan Botha (Siegmund), Anja Kampe (Sieglinde), Wolfgang Koch (Wotan), Catherine Foster (Brünnhilde), Franz-Josef Selig (Hunding), Claudia Mahnke (Fricka), u.a.. Weitere Aufführungen am 15. und 23. August. Premiere des "Siegfried" am 29. Juli, der "Götterdämmerung" am 31. Juli. www.bayreuther-festspiele.com)

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