Das Burgtheater widmete dem großen Regisseur und Dramatiker die Matinee "Abschied von George Tabori".
Sechs Wochen nach dem Berliner Ensemble nahm heute, Sonntag, Vormittag auch das Wiener Burgtheater in einer von Traurigkeit und Heiterkeit gleichermaßen geprägten Matinee Abschied von George Tabori. Die schlichte, doch bestechende Konzeption, einen Teil der Mitwirkenden und der nur von Tabori stammenden Texte übernahm man aus Berlin: In der Mitte platzierte man einen leeren Ohrenfauteuil, auf den man Stock, Mütze und Schal des am 23. Juli im Alter von 93 Jahren gestorbenen Theatermanns drapiert hatte, rundum saßen im Halbkreis Weggefährten, die reihum vortraten, mit kurzen, gelesenen (zwei Mal - von Maria Happel und Markus Meyer - auch gesungenen) Texten an Tabori erinnerten und danach ihre Zettel auf den verwaisten Theater-Thron legten.
"Weisheit und Liebenswürdigkeit"
Nicht nur jetzige
und frühere Burgtheater-Ensemblemitglieder erinnerten an das Ehrenmitglied
des Hauses, das von 1987 bis 1999 15 Inszenierungen an den verschiedenen
Burg-Spielstätten herausgebracht hatte, auch seine Verlegerin Maria Sommer,
Filmregisseur Michael Verhoeven, Regisseur Thomas Langhoff oder Dichter Wolf
Wondratschek waren gekommen. Umrahmt von zwei kurzen Filmen, in denen der
ganze Charme des Dichters und Regisseurs noch einmal komprimiert wurde, jene
Mischung aus Weisheit und Liebenswürdigkeit, die jede Begegnung mit ihm zum
Erlebnis machte, wurden "Ideen, Sätze, Gedichte, Szenen, Prosa, Briefe,
Reden, Gedanken, Glossen, Einwürfe, Entwürfe, Träume... und ein Wort"
verlesen und zum Nachschwingen gebracht.
Beil und Matic
Hermann Beil las u.a. Briefe Taboris an Claus
Peymann (wobei er nach "Claus" eine vieldeutige, fast schon boshafte Pause
machte), Klaus Bachler zitierte aus Taboris Dankesrede zur Verleihung des
Büchner-Preises 1992 ("Ich liebe diese Sprache, obwohl ich sie nie bewältigt
habe."), Peter Matic verlas einen Brief des Regisseurs an die Direktion der
Salzburger Festspiele, in dem er 1987 ebenso eindrucksvoll wie
unmissverständlich jede Änderung an seiner (daraufhin abgesetzten)
Inszenierung des Oratoriums "Buch mit den sieben Siegeln" in der Salzburger
Kollegienkirche ablehnte.
"...Glück entsteht, wenn das Unglück aufhört."
Ignaz
Kirchner berührte mit einem Monolog des Schlomo Herzl, jener Rolle, die er
schon 1987 bei der Uraufführung des Stücks im Akademietheater gespielt
hatte. Martin Schwab, Rudolf Melichar, Florentin Groll und Maria Happel
brachten gemeinsam mit einer Szene, in der Kritiker über die Inszenierung
der Selektion an der Rampe von Auschwitz diskutieren, das Lebensthema
Taboris, die Suche nach Humanität im Zwiespalt zwischen Weinen und Lachen
("Meine Theorie ist, dass das Glück entsteht, wenn das Unglück aufhört.")
auf den Punkt. Das Ende seines Vaters in Auschwitz war bei dieser Matinee
ebenso ein Thema wie Taboris Begegnung mit Hitler ("Er winkte. Ich winkte
zurück. Er kam mir so einsam vor.").
Abschied
Kirsten Dene und Andrea Breth, Sunnyi Melles und Peter
Radtke, Manfred Karge, Otto Tausig und viele andere nahmen Abschied. Silvia
Fenz erinnerte an Taboris Programmatik im Theater "Der Kreis", Dramaturgin
Jutta Ferbers las einen Text, in dem sich der Theatermann an seine erste
Begegnung mit "Miss Höpfner", die später seine Frau wurde, erinnerte. Und
Ursula Höpfner nahm am Ende einen kleinen Zettel zur Hand, auf dem "zehn
bevorzugte Worte" notiert waren: "Leben. Lieben. Lachen. Liegen. Warten.
Hoffen. Kommen. Flüstern. Schreien. Wir." - Das Burgtheater hat sich spät,
aber würdig vom "dienstältesten Theatermacher der Welt" und einem der
größten Theaterleute unserer Zeit verabschiedet.