Wiener Uraufführung

Roches "Feuchtgebiete" in der Garage X

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Bühnenadaption setzt auf Monolog dreier Darstellerinnen statt auf  Schockelemente.

Maximale Aufmerksamkeit und minimale Erwartungen gehören zusammen, wenn der Stoff aus Charlotte Roches Skandal-Roman "Feuchtgebiete" erstmals auf eine österreichische Theaterbühne findet. Bei der ausverkauften Premiere in der Garage X am 20. November ließ man sich aber nicht exzessiv auf nackte Tatsachen oder die Illustration von Analfissur und Co. ein, sondern blieb von Anfang bis Ende zahm.

Bestseller auf der Bühne

beeindruckendem Zeitgefühl halten Nina Horvath, Nicola Schößler und Anna Franziska Srna abwechselnd jenen Monolog, der 2008 für Aufsehen in der Literaturwelt gesorgt und heuer auch seinen Weg auf die Kinoleinwand gefunden hat. Ohne sich ein Blatt vor den Mund zu nehmen, referiert Roches 18-jähriges Alter Ego nach einer bei einer missglückten Intimrasur entstandenen Analfissur im Krankenhausbett über sexuelle Abenteuer, Masturbationszwang und Periodenblut-Rituale mit der besten Freundin.

In Deutschland schon im Theater gewesen

Bereits im Jahr der Buchveröffentlichung wurde der Stoff am Neuen Theater Halle erstmals auf die Bühne gebracht - Regisseurin Christina Friedrich setzte damals sieben Schauspieler, Frauen und Männer, als Helen ein. Auch in der ersten österreichischen Adaption wird der Monolog ohne nackte Tatsachen oder allzu provokante Hilfsmittel gehalten: Dennoch werden ab und zu ein paar Spritzer Sauerrahm als "Muschisaft" auf der Bühne verteilt, ein scheinbar Blut getränktes Tampon der Kollegin in die Nase gesteckt und manch ein Rock gelüftet. Der Selbstmordversuch der Mutter wird mit Kreide auf den Boden gemalt, Drastisches per Videoprojektion nur angedeutet: Der Vagina ähnelnde Früchte und Dinge sind amüsant, die scheinbaren OP-Szenen schwerer anzuschauen.

"Sex and the City"-Charakteren mit ekelhafter, provozierender Wortwahl  

Nun würde es nicht weiter stören, dass zwei der drei Darstellerinnen auf der mit einer roten Plane ausgelegten Bühne weit über 18 scheinen und sich jugendliche Experimentierfreudigkeit so schwer vermitteln lässt. Vielmehr wird man im Laufe der knapp 70 Minuten nicht das Gefühl los, man hätte aalglatten "Sex and the City"-Charakteren gar ekelhafte, provozierende Worte in den Mund gelegt: Horvath ist da in ihrer verspielten, naiven Art am glaubwürdigsten, während Srna allzu lasziv und nasal über Puff-Erfahrungen spricht und Schößler sich insgeheim zu schämen scheint. Da wirkt sogar der kollektive Wutausbruch, nach dem der Großteil aus dem mit Hygieneprodukten befüllten Regal am Boden verteilt ist, zahm und unmotiviert.

Videoinstallation dabei
Spürbar aufgelockert ist es nur dann, wenn die drei in Rock, Bluse und schwarzer Perücke gekleideten Darstellerinnen mit einer kleinen Videokamera agieren, die Aufgenommenes in Echtzeit auf die Wand projiziert. Da filmt eine Helen in den Ausschnitt der Anderen und die Dritte versucht, allzu Freizügiges per Körpereinsatz auf der Wand zu verdecken. Roches Kritik am Hygiene-Zwang der Frau von heute läuft an diesem Abend im Hintergrund: Die Videowand spielt Werbespots von Damenrasierern ab; erst zum Schluss drehen die Frauen den Spieß um, bieten "Muschi-Stempeldrucke" auf Papier dem Publikum zur Versteigerung an.

Fazit
Die potenziellen Käufer bleiben dabei - wie auch die knapp 70 Minuten davor - bis auf einzelne Ausnahmen, die vermutlich zum ersten Mal mit "Feuchtgebiete" in Berührung kommen, unbeeindruckt. Zu oft hat man das alles schon gesehen und gehört; Muschi, Schwanz und Arschritze erregen fünf Jahre später keine Gemüter mehr. Was Buch und Film mit einem feministischen Ansatz und Helens komplexem Charakter inklusive Scheidungstrauma ausgleichen, bleibt hier oberflächlich. Zeit, den Stoff endgültig trocken zu legen.

Info

"Feuchtgebiete" nach dem Roman von Charlotte Roche. Österreichische Erstaufführung in der Garage X. Inszenierung: Angelika Zacek. Ausstattung: Renato Uz. Dramaturgie: Hannah Lioba Egenolf. Mit: Nina Horvath, Nicola Schößler, Anna Franziska Srna. Weitere Termine: 22., 23., 30.11. sowie 1., 7., 13., 14., 20., 21.12.2013 und 24., 25., 29. und 30.1.2014 jeweils 20 Uhr. www.garage-x.at



 

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