Während seiner Dankesrede rasierte sich Kim de l'Horizon die Haare ab – aus Solidarität mit den Frauen im Iran.
Der Deutsche Buchpreis 2022 geht an Kim de l'Horizon für seinen Roman "Blutbuch". Diese Entscheidung der Jury ist am Montagabend in Frankfurt bekanntgegeben worden. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert. Der sich als nicht-binär identifizierende Autor machte mit seinem schillernden Cross-Dressing-Disco-Outfit und seiner ebenso performativen wie politischen Dankesrede die Verleihungszeremonie im Frankfurter Römer zum Ereignis mit Erinnerungswert.
Kim de l'Horizon bedankte sich unter Tränen bei seiner Familie und seiner Großmutter, die offenbar mit der Hauptfigur seines Romans ident ist. Nach einem selbst vorgetragenen Song interpretierte er die Entscheidung der Jury auch als ein Signal gegen den Hass und für die Liebe, als ein Zeichen der Unterstützung für alle, die gegen herkömmliche Geschlechtergrenzen kämpfen, aber auch für die Frauen im Iran, "zu denen wir alle schauen" und sie für ihren Mut und ihre Kraft bewundern. Dafür gab es lange Standing Ovations des Saalpublikums, das nochmals verblüfft wurde, als der Preisträger einen batteriebetriebenen Rasierapparat zückte und sich seine langen Haare aus Zeichen der Solidarität coram publico abrasierte.
Kim de l'Horizon wurde 1992 bei Bern geboren. Auch die Hauptfigur seines bereits mit dem Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung ausgezeichneten Romans "Blutbuch" (Dumont) heißt Kim und fühlt sich weder ausschließlich männlich noch weiblich. Als die Großmutter ihre Dominanz an die Demenz verliert, beginnt Kim eine eigene Sprache zu bilden. "Da es in diesem Gemenge keinen geraden Weg gibt, kann die Form des Romans nicht linear sein", konstatierte die Jury. Mal sei die Sprache experimentell und gewagt, mal derb und obszön, mal zart und intensiv: "Ein Roman, der berührt und bewegt."
Im Rennen waren zudem Fatma Aydemir ("Dschinns"), Kristine Bilkau ("Nebenan"), Daniela Dröscher ("Lügen über meine Mutter"), Jan Faktor ("Trottel") und Eckhart Nickel ("Spitzweg"). Sie bekommen nun je 2.500 Euro. Die Jury hatte insgesamt 233 Titel gesichtet.
2021 war der Deutsche Buchpreis an Antje Rávik Strubel für "Blaue Frau" gegangen. Zweimal ging bisher der Deutsche Buchpreis nach Österreich: 2005 an Arno Geiger ("Es geht uns gut") und 2017 an Robert Menasse ("Die Hauptstadt"). Die Vergabe des Deutschen Buchpreises markiert gleichzeitig den Auftakt zur Frankfurter Buchmesse, die am Dienstag durch das spanische Königspaar eröffnet wird. Spanien ist heuer das Gastland der Messe.