Nur "Eugen Onegin" war außerordentlich, der Rest waren eitle, modische Verfälschungen von Opern.
"Wir müssen aufpassen, dass wir Köche bleiben und nicht zu Kellnern werden!" Jürgen Flimm prägte diesen sehr ehrlichen Vergleich.
Kommentar
Der Salzburger Intendant sah sich in diesem Sommer mit
nicht weniger als einem Dutzend Absagen von Künstlern im Theater- und
Musikbereich konfrontiert. Ein Quantum, das nachdenklich macht. Denn nicht
nur Erkrankungen waren für diese Absagen die Ursache, sondern auch Unlust
oder das Gefühl, falsch besetzt worden zu sein.
Selbstdarstellung
Die Salzburger Festspiele wollen immer noch als
wichtigstes Sommerfestival neben Bayreuth gelten. Da sie bei Politik,
Wirtschaft und Society als Plattform für Selbstdarstellung höchstes Ansehen
genießen, ist der Medien-Lärm rund um ihre prominenten Künstler und Gäste,
Ermöglicher und Nutznießer groß genug, um ein künstlerisches Manko zu
übertönen. Ein solches war heuer im Opernbereich festzustellen.
Modisch
Von vier Premieren hatte nur eine (Eugen Onegin) den Rang
des Außerordentlichen, weil Inszenierung und musikalische Qualität gemeinsam
eine modellhafte Realisierung ergaben. Die anderen drei (Armida, Freischütz,
Benvenuto Cellini) boten modische, eitle, aufdringliche Verfälschungen von
Stücken. Das gilt auch für die einzige (!) Mozart-Oper dieses Sommers
(Figaros Hochzeit), eine Wiederaufnahme vom Vorjahr. Alle diese Produktionen
waren keineswegs erfolglos, aber sie verzichteten szenisch auf künstlerische
Wahrhaftigkeit zugunsten eines fragwürdigen Zeitgeschmacks und hatten
musikalische Defizite.
Eigenart
Das Konzertprogramm, erstmals von Markus Hinterhäuser
verantwortet, hatte Linie, Eigenart, hielt zwischen notwendiger Befriedigung
der Publikumserwartung und Mut zu intelligent komponierten, gedankenvollen
Programmen eine gute Balance. Der waghalsige Kontinent Scelsi brachte
Hinterhäuser nicht nur Erfolg beim Feuilleton, sondern auch bei Zuhörern,
die sich in überraschend großer Zahl auf ungewohnte Hör-Eindrücke einließen.
Sachverstand
Die Bilanz dieses Salzburger Musik-Sommers ist daher
eine zwiespältige. Man merkt, dass Intendant Jürgen Flimm nicht von der Oper
kommt. Man wünschte ihm Hinterhäusers Fantasie und Kenntnis. Von Helga
Rabl-Stadler, der Präsidentin, erhoffen wir, dass sie ihren gesunden
Sachverstand (der sie im „Fall Netrebko“ verließ) nicht nur zugunsten der
wichtigen Sponsoren, sondern auch im Sinne des Bühnenprogramms einsetzt.