"Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit" bringt die Psyche der teilnehmenden Personen in Bedrängnis. Warum die Show ein Grenzfall ist.
Neulich beim TV-Zapping: Die RTL2-Show "Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit" flimmert über den Schirm. Als hartgesottener Zuseher ist man ja eigentlich geeicht gegenüber prekären Fernsehelementen. Doch nach "Celebrity Rehab", "Big Brother" oder "Dismissed" sowie den belehrenden Worten des Litertaurpapstes Marcel Reich-Ranicki, wonach man sich im Fernsehen im Grunde fast nichts mehr ansehen kann, treibt es der deutsche Sender RTL2 mit der zweiten Staffel des "Wahrheits"- Format formidabel auf die Spitze. Denn - unter der Prämisse, dass hier nichts getürkt sein soll - schwimmt die Show, die einem banalen Geldquiz ähnelt, in einem ethisch äußerst grauen Fahrwasser.
Entblößte Freunde
Das Konzept ist simpel. Die
Kandidaten lassen sich an einen Lügendetektor (Polygraphen) anschließen und
bekommen vom Moderator Christoph Bauer sehr persönliche wie intime Fragen
gestellt. Geantwortet wird mit Ja oder Nein. Für jede "Wahr"-Beurteilung
des Lügendetektors erhält der Kandidat eine weitere Summe Geld, gewonnen
werden können bis zu 25.000 Euro.
Prekär
Allerdings: Im Publikum in der ersten Reihe sitzen
zumeist der Partner, Freunde oder nahe Verwandte. Die Fragen drehen sich
zumeist um persönliche Verhältnismäßigkeiten. Mit zunehmendem Gewinn werden
auch die Fragen härter und unmoralischer. Sollten den Kandidaten die Fragen
zu brenzlig werden, dürfen sie aussteigen und das Geld mitnehmen. Soweit das
scheinbar einfache Prinzip.
Schockierende Fragen
Wer denkt, dass die Fragen größtenteils
magenschonend bleiben, irrt. "Ist ihr Vater ein Vorbild für sie?",
fragte Moderator Bauer die blonde Kandidatin. Sie antwortete mit "Nein".
Ein Raunen und Buhen im Publikum. Das Schlimme: Der Vater sitzt im Publikum
- und fällt merklich in sich zusammen. Bauer fragt nach: "Warum
ist ihr Vater kein Vorbild für Sie?". Sie entgegnet: "Weil er
Metzger ist. Wäre er Geschäftsmann oder so, dann...". Im
Kamerabild: Der leibliche Vater, der sich der Loyalität seiner Tochter nicht
mehr sicher sein kann. Sie lacht und ist scharf aus Geld. Daneben wird auch
noch die beste Freundin gedemütigt und als "dümmlich"
abgestempelt. Diese ist sauer und kann ihren Missmut gegenüber ihrer
ursprünglich besten Freundin nicht mehr verbergen. Die Spannungen, die das
Format mit diesen Fragen produziert und mit Geld versucht aufzuwiegeln,
grenzen immer mehr an unvertretbarem Fernsehen.
Unerträglicher Trash
Dass leichte Unterhaltung zur
Ablenkung und Entspannung manchmal ganz lustig sein kann, weiß wohl jeder.
Doch Fragen á la „Haben Sie Ihren Eltern schon einmal Geld gestohlen?“,
„Glauben Sie, dass Sie klüger sind als Ihr Chef?“ oder „Würden Sie Ihren
Ehemann noch einmal heiraten?“ in Anwesenheit der handelnden Akteure, welche
nach den Lügendetektor-Antworten sichtlich verstimmt sind, gehören wieder in
den intimen Lebensbereich zurück. Bewahrheitet sich wohl das traurige
Sprichwort: Für Geld machen Leute wirklich alles.
Nichts als die Wahrheit - jeden Montag, 21.15 Uhr, RTL2
Fotos (c): Screenshot, RTL2