Salzburger Festspiele

Sokolov glänzte mit Schubert und Beethoven

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Romantisches, spätnächtliches Klaviersolo gegen Müdigkeit im Großen Festspielhaus.

Mit Rudolf Buchbinder, Evgeny Kissin und Maurizio Pollini waren in diesem Salzburger Festspielsommer bereits drei Große der Pianistenzunft solo im Großen Festspielhaus - und Grigory Sokolov schloss diese Solistenserie am 23. August spätnachts ebenso wildromantisch wie hoch virtuos ab. Auf dem Programm dieses pianistisch-konzertanten Höhepunktes: Franz Schubert und Ludwig van Beethoven.

Schubert, der Träumer  
Am Anfang stand Schubert, der Träumer. "Vier Impromptus" D 899 und dann - nach kurzem Durchatmen - "Drei Klavierstücke" D 946. Sokolov, der 63-jährige Meister aus Leningrad, ist berühmt für seine elastischen, an die Dramaturgie des Stückes angepassten Tempi, die variabel und zugleich stabil und rhythmisch wirken. Sokolovs Puls ist nicht Sklave der Motorik, und doch will man tanzen bei diesen Klavierstücken. Besser noch: Schweben, fliegen und fließen durch Schuberts luftige, fast 80-minütige Sehnsüchte.

 Martialische Pianisten-Attacke 
Forcierte Sokolov im Schubert noch verhalten-kraftvoll, so legte er in Beethovens "Großer Hammerklaviersonate" Op. 106 alle martialische Pianisten-Attacke in die Tasten, die dieses Stück wohl braucht. Dieses symphonisch große Auftragswerk, mit dem sich der Komponist aus seiner misslichen wirtschaftlichen Lage befreien wollte, ist randvoll mit haarsträubenden Läufen, fast brutal hingeknallten, wütenden Akkorden und episch ausgewalzter Melancholie. Beispielhaft vor allem im Variantenreichtum von vergleichsweise wenigen Melodien und Themen.

Kampf gegen bleierne Müdigkeit
Sokolovs Gestaltungswillen und seine pianistische Brillanz hatten trotz aufwühlend wilder Romantik zu kämpfen an diesem Abend, und zwar gegen die allgemein spürbare, bleierne Müdigkeit im Saal. Sogar die große Gruppe der echten, zurecht begeisterten Sokolov-Fans entriss den Saal beim Schlussapplaus kurz vor Mitternacht nur mäßig erfolgreich der Lethargie. Zu tief in ihre Sitze gesunken waren viele Hörer in der dritten Stunde des Konzerts. Vielleicht spielte Sokolov einfach zu lang, vielleicht auch offenbarte dieses Konzert das Grundproblem der Salzburger Festspiele unter Intendant Alexander Pereira und seiner "Rekordjagd der Kunst": Es ist zu viel des Guten.

 
 

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