Hartmann

"Wieder bei Kräften"

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Schostakowitschs "Lady Macbeth" hat am Freitag an der Staatsoper Premiere.

Oper. Stalin verbot Lady Macbeth von Mzensk. Die Story von der Mörderin Katerina, die Mann und Schwiegervater, beides keine Sympathieträger, tötet und mit dem Geliebten verbannt wird, war dem Diktator zu drastisch. Regisseur und Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann sieht die „Lady“ aber nicht wie üblich als Opfer der Umstände – sondern als Täterin.

ÖSTERREICH: „Faust“, Voss, Meyerhoff, Bronchitis und dazu noch eine Oper. Überfordert Sie das nicht?
Matthias Hartmann: Normalerweise werde ich in der Überforderung besser, und ich bin kein larmoyanter Mensch. Aber diese intime Verabredung mit meinem Körper, dass er vor einer Premiere nicht schlapp macht, kam jetzt in Wien durcheinander. Denn mein Körper weiß nicht mehr: Ist es vor der Premiere oder nachher? Und weil ich diesen Deal gebrochen habe, hat mich mein Körper jetzt einmal „ausgeschossen“ – ich lag drei Tage! Ich war nicht mehr in der Lage zu arbeiten. Jetzt bin ich rekonvaleszent, fühle mich außerordentlich bei Kräften, abgesehen davon, dass meine Bronchien Geräusche machen wie ein Espresso-Schäumer. Das geht nicht weg, und ich hab auch nicht die Hoffnung, dass es jemals wieder weggeht.

ÖSTERREICH: Das geht in Wien in ein nervöses Hüsteln über … „Lady Macbeth“ revolutionierte die Oper durch ihre Drastik. Ist diese „Drastik“ etwas, das Sie als Regisseur interessiert?
Hartmann: Ich habe mir dazu folgende Gedanken gemacht: Das Vermächtnis der 68er besteht darin, dass wir im Täter immer das Opfer suchen. Der arme Junge, der von seinem Vater in eine Schweinehaut eingenäht und gefickt wurde – was soll er werden? Triebtäter! Ist doch ganz klar. Diese Vorstellung basiert auf der Annahme, dass soziale Prägung uns zu dem macht, was wir sind. In der Zwischenzeit hat uns die Wissenschaft aber gelehrt, dass wir vor allem genetisch determiniert sind. Und diese Erkenntnis des archaisch Bösen in der Konstruktion des Menschen bringt unser Weltbild durcheinander...

ÖSTERREICH: Katerina wird ja in jedem moderneren Opernführer als Opfer der Umstände gesehen…
Hartmann: ... während ich versuche, sie nicht als Opfer zu zeigen, sondern als Täter. Denn so arm ist sie ja auch nicht: Ihr Mann ist ein Schlappschwanz, der keinen hoch kriegt und ihr kein Kind machen kann; außerdem belästigt sie ihr Schwiegervater – ist das jetzt eine Katastrophe?

ÖSTERREICH: Österreichs 68er litten am Jack-Unterweger-Schock. Am nicht zu resozialisierenden Menschen…
Hartmann: Und genau dieses Phänomen, interessiert mich. Ich hoffe, dass ich das angespitzt genug zu zeigen imstande bin.

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