Talk zu Wien-Konzerten

Bilderbuch: "In der Schule gab es Watsch'n!"

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Am Wochenende rocken Bilderbuch zwei Mal vor Schönbrunn. Der Talk über Hype, Hiebe und Herz.

Elton John, R.EM. oder David Gilmour. Vor Schloss Schönbrunn dürfen nur die Allerbesten für Konzerte ran. So wie Bilderbuch. Die Kultband des Austropop (Schick Schock) inszeniert am 24. und 25.Mai für 30.000 Fans ihr Oeuvre als bombastische Multimedia-Show. Im ÖSTERREICH-Interview erklärt Sänger Maurice Ernst (30) die Hintergründe, den Hype und die Probleme der Liebe.

Warum spielt man vor dem Schloss Schönbrunn?
Wenn man in Wien wohnt und hier auch schon viele Auftritte gespielt hat kommt irgendwann die Frage wo man noch spielen will. Die Stadthalle wäre logisch gewesen, aber jeder weiß, dass das kein Hingucker ist. Schönbrunn war daher irgendwie naheliegend, weil es da schon mehrete Konzerte gegeben hat. Wir haben dann angefragt und wurden mit offenen Armen empfangen. Trotzdem war es auch ein Bürokratischer Hürdenritt. Im Vergleich zur Stadthalle ist das ein idealistisches Projekt.

Wien ist auch das Heimspiel. Ist man da nervöser?
Natürlich! Das fängt schon an bei der Gästeliste an. Da kommen ja die Familie, Bekannte und auch viele Wegbegleiter. Dazu bin ich in den letzten eineinhalb Jahren sicher hundert Mal an Schönbrunn vorbei gefahren. Immer mit dem Wissen, dass wird dort wo sich gerade 3.000 Touristen tummeln, ein Konzert spielen.

Ihre Show ist opulent: Auf Bühne stehen u.a. Kühlschrank, Wasserhahn, Planten …
Wir haben die Genesis Bühne aus dem Jahr 1992 gemietet, denn die ist Durchsichtig. Da kann man auch das Schloss sehen. Dazu gibt es zwei Soundsysteme, zwei Leuchtende Podeste auf denen zwei Schlagzeuge stehen. Den Saturn. Das ist ein Interpretation der Hallentournee auf die Open Air Bühne und dementsprechend wird es auch für uns spannend.

Beim Konzert gibt es für die Presse Fotoverbot…
Wir haben Super Fotografen dabei, denn das werden vielleicht die Referenz-Bilder für die nächsten 15 Jahre. Und das sollen keine Moment-Aufnahmen sein.

Bilderbuch haben zuletzt mit zwei Alben, die doch sehr schnell hintereinander rausgekommen, sind überrascht …
Es gibt ja zwei Ansätze: entweder man macht ein Album und bläst das blessiert auf, so dass jeder mitbekommt, dass man da etwas macht, oder man macht es einfach. Es hat sich gut angefühlt mal wirklich so aus der Hüfte zu schießen und zu sagen, „Jetzt machen wir einmal Musik“. Das ist ja auch eigentlich die einzige Aufgabe die Bilderbuch hat: Musik zu machen. Wir inspirieren uns da eher an Prince als an Michael Jackson Daher machen wir auch die Konzerte vor Schönbrunn. Das mystifiziert man ja mehr als das Album an sich. Denn man steckt da gerade in einer Stadt wie Wien in ein Konzert schon mehr Mythos rein, als in ein Release.

Die Konzerte sind also wichtiger als die CDs?
Man darf nie sagen was wichtiger ist: das eine kann ohne dem anderen nicht. Es gibt hervorragende Alben von Bands die das dann aber live nicht gut umsetzen. Wir wollen den Spagat machen: Was immer bleiben wird ist eine E-Gitarre und ich glaube das beste Solo in ganz Europa hört man gerade bei Bilderbuch.

Bester, Schönster und Größte zu sein – Ist das der Ansatz von Bilderbuch?
Wir können etwas, das kein anderer gerade macht: und das ist Gitarren in die Jetztzeit zu versetzen und deshalb kann ich auch mit Stolz behaupten, dass wir Weltweit die mitunter modernsten Gitarren haben.
Die Stärken von Bilderbuch sind bekannt, was sind die Schwächen?
Der Zug zum Tor der dem wir manchmal ein bisschen links liegen lassen. Bei uns ist es mehr Tiki Taka. Für die Zukunft könnte ich mir schon vorstellen dass wir noch einmal Zielgerichteter und nochmal Direkter werden. Auf eine Art und Weise die ich selber noch nicht genau weiß.

Wünscht man sich den großen Single Hit den alle mitsingen?
Es ist ja immer das Ding mit dem was man will und was man hat und was man nicht hat das will man ein bisschen mehr. Man muss mit den Wellenbewegung gehen und wir sind bei den letzten beiden Platten relativ frei an die Sache gegangen und haben uns Null Ziele gesteckt, außer dass wir Musik machen.

Trotzdem ist Hype ein Wort das gerne mit Bilderbuch genannt wird…
Ich habe das Gefühl dass wir relativ geschickt damit umgegangen sind. Fühlen tue ich den Hype nicht mehr. Ich glaube das ist ein gutes Zeichen. Ich fühle schon wir hätten ihn überwunden Mittlerweile sind wir auf einer Ebene angekommen sind wo man sich schon gemütlicher bewegen und Akzente setzen kann.

Macht dieser Erfolg und dieser Hype Druck auf alles was noch kommen mag?
Ja und nein. Die letzten beiden Alben waren für uns selbst ein Beweis, dass uns der Hype nicht mehr so wichtig ist. Für uns ist es wichtig als Musiker zu existieren.

Wie wichtig ist das Image? Sie gelten ja als “Best angezogener Mann Österreichs” …
Die Auszeichnung war ein schöneres Kompliment. Weil sie für Individualität sprach und ich damals auf Elyas M‘Barek und auf Kanzler Kurz, die auch auf der Liste waren, runterlachen konnte. Das ist alles ein großer Witz, aber sowas nimmt man mit.

Stehen Sie täglich lange vor dem Kleiderschrank und überlegen was ziehe ich heute an?
Nein nicht mehr. Das ist Gott sei Dank in Fleisch und Blut übergegangen. Wenn ich 5.000 Euro für einen Anzug ausgebe dann bin ich auch nicht besser angezogen als wenn ich eine Second Hand Hose anziehe.

Hand aufs Herz: Wie sieht ihr Kleiderschrank aus?
Ich muss leider immer etwas wegtun. Alle zwei Monate, damit ich meine alten Sache wiederhabe. Es ist ein bisschen ein Chaos. Ohne die Musik, ohne die Band hätte ich einen leereren Kleiderschrank, Aber so sammelt sich von der goldenen Bluse bis zum Seidenhoserl alles an und man will auch nichts wegwerfen, weil man weiß ja nie was passiert.

Vielleicht fragt ja ein Museum an…
Das ist alles schon gewesen. Das gehört einfach dazu und man muss das mit Humor und Spaß sehen: man muss ich wohlfühlen

Wie stolz sind Ihre Eltern? Bei Vernissage My Heart singen Sie ja „Papa ist stolz, Mama ist stolz“
Bei sowas wie Schönbrunn in Ö merkt man das schon. Das ist nichts Alltägliches mehr. Dieses Konzert zeigt einfach wie absurd alles geworden ist. Und das merkt meine Oma genauso wie mein Vater, meine Mutter und gewissermaßen alle Freunde. Und es bleibt auch die spannende Frage, wie man danach weitermacht..

Gefeiert wird aber?
Genau, den Sonntag habe ich komplett frei, deswegen muss ich vorher schon wählen gehen .Danach gibt es noch ein paar Festival in Deutschland und dann werde ich abhauen Ich weiß aber och nicht genau wohin.

Urlaub? Abschalten? Das können Sie, das brauchen Sie?
Ich glaube das brauche ich dann mal, weil ich seit 1,5 Jahren unter Strom stehe: 2 Tourneen, 2 Alben und alles Mögliche gemacht. Es ist jetzt an der Zeit und deswegen fühlt sich Schönbrunn wie der letzte Feuerwerkskracher an. Unser eigenes Silvester. Danach starten wir ein neues Jahr.

Ihre Social Media Auftritte sind sehr reduziert…
Ich will meine Zeichen in Kombination mit Musik und mit Kunst setzen, weil ich bin ja kein Blogger, kein Journalist und auch kein Politikerbin. Ich will auf schon politisch sein, aber ich will es mit Musik verbinden, sodass es nicht immer nur ein Zeigefinger ist, sondern eine Frage des Stils.

Sie sind gingen auf eine Klosterschule . Wie kann man sich das vorstellen? Rohrstaberl und Co.?
In meinen acht Jahren auf dieser Klosterschule hat sich das System komplett geändert, also von der Internatsschule, wo es auch noch Watschen gegeben hat, bis zu meiner 8. Klasse, wo dann in Wahrheit die Untesrstufler uns gequält haben. Also wir sind schon noch ins Klo gesteckt worden und wer petzen gegangen ist hat Pultarrest bekommen. Im Nachhinein muss ich sagen ich habe das Glück gehabt es wirklich lieben zu dürfen, ich habe eine super Klasse gehabt und konnte von den meisten Lehrern profitieren. Ich habe eine gute Zeit gehabt trotz all der Tradition und dem Wahnsinn . Mit Beten in der Früh und um 3 Uhr und vor und nach dem Essen. Natürlich hab ich alles durchgemacht. Ich glaube man nimmt sich da etwas mit, was man gar nicht merkt. Vor allem, die Kirche und gerade der Pathos und das Showbusiness sind ja so unfassbar verwandt miteinander und das kriegst du nicht weg. Das Showbusiness hat schon sehr viel von der Kirche übernommen von der Präsentation. Wenn man früh in der Kirche gesessen ist, ob man wollte oder nicht, dann weiß man was Pathos bedeutet und man weiß auch wie man sich darüber lustig machen kann

Als Gegenpol zur Klosterschule hatten Ihre Eltern ein Nachtlokal.
Genau und die sind nie in die Kirche gegangen, denen war das schon von Anbeginn zuwider.

Aber warum wurden Sie dann in die Klosterschule geschickt?
Weil es eine gute Schule war und weil das über Kremsmünster geprangt ist wie ein Symbol. Meine Eltern sind auch nie zum Elternsprechtag gegangen,  wenn es nicht sein hat müssen oder zu Versammlungen. Ich verstehe das gut. Ich war noch nie auf einer Weihnachtsmette. Meine Eltern sind dem eigentlich so unglaublich fern und trotzdem bin ich dem irgendwo so unglaublich nahe.

Wo stehen Bilderbuch im Austropop?
Das kann man gar nicht so endgültig sagen. Die Zeit wird dweisen wo man wirklich Zuhause ist im Musikgenre. Im Moment würde ich sagen Bilderbuch ist dabei eine Sonderstellung zu haben, die für sich spricht. Wir brauchen keine Bewegung, sondern sind ein Satellit, der eigentlich schon davor da war und der jetzt daneben wieder Co existiert und die Rolle gefällt mir eigentlich ganz gut, weil da muss ich mich nicht verbiegen. Wir sind das was wir sind und ob wir dann mal mehr dazu gerechnet werden und in 5 Jahren wieder weniger, das sollte mir eigentlich wurscht sein.

Gibt’s im Austropop Freunde oder nur Konkurrenten?
Das hat sich am Anfang bei Wanda so angefühlt, wenn man das ein bisschen so provoziert hat, das haben sie genauso provoziert wie wir. Es war spannend und lustig und wir haben es immer noch nicht geschafft unsere Dachgrillerei zu machen, die wir schon Jahren ausgemacht haben. Ich finde Wanda ist die zweite richtig leiwande Band in dem Land, neben uns. Beim Rest bin ich immer kritisch. Marco gibt sich extrem viel Mühe, dass die Texte wirklich etwas Besonderes sind und das tue ich auch und deswegen werde ich ihn immer anders schätzen.

Ein Thema das zuletzt für Aufsehen gesorgt hat war Ihre neue Haarfarbe. Warum das?
Irgendwann stehst du auf und denkst dir ich will jetzt nicht die nächsten 10 Jahre Blond sein, denkst dir aber auch, dass du mit Blond Auchfür die Bühne: bist. Davon bin ich überzeugt. Und ich habe es dann ohne Rücksicht auf die Marke Bilderbuch gemacht. Das sehe ich ein bisschen wie David Bowie, wie Künstler, die nicht nur ihre eigene Marionette geworden sind, weil das ist schon gefährlich. Wenn ich mit 35 die Harre zum ersten Mal nicht mehr blond hätte wäre das komisch. Umgekehrt wäre es aber auch komisch, wen ich mit 38 noch immer so blond wie mit 24 dastehe.

Also besser jetzt als später…
Ja lieber werde ich in 3 Jahren wieder blond und dann hält das für 2 Jahre und dann wieder nicht, weil was ist das? Eine Frisur mehr nicht.

Sie machen das aber nicht so krass wie Conchita, die sagt ich habe jetzt meine zwei Welten …
Ich meine, ein Konzeptalbum darf man nie ausschließen, also das man mal sagt man geht einen Schritt weiter und maskiert sich noch mehr. Das sind interessante Ideen, aber es ist sicher nicht so extrem in der Kunstfigur, wie bei Conchita Wurst, wo man sagt die Kunstfigur A zerstört man und macht eine Kunstfigur B. Bei uns ist es trotzdem Bilderbuch und das ist eine der authentischsten Bands. Wahrscheinlich sind wir sogar näher bei STS als bei Falco.

Sind Bilderbuch  auch vier Freunde?
Ich würde sogar übertreiben und sagen das ist meine Familie. Ich war immer Einzelkind und habe sehr früh die band gehabt und sehr gut gelernt was es heißt mit jemandem so ein großes Projekt wie eine Familie voranzutreiben. Das ist eben nicht nur Arbeit. Wir haben keine Probleme, sondern jeder weiß wie der andere ist. Das sind meine besten Freunde, das ist eine Familie und da bin ich sehr dankbar, dass ich mit ihnen kompensieren kann dass ich keine Geschwister gehabt habe, das ich meine Band habe.

Wie sieht es mit der Liebe aus?
Auch sehr dramatisch immer. Ich habe bei der letzten Platte gemerkt, Mea Culpa, dass ich viel von diesem Gefühl reingepackt habe, die man hat wenn man zB aus einer Beziehung rauskommt und bereut. aber andererseits blickt man nach vorne und hat die Freiheit wieder. Für mich war Mea Culpa ein melancholischer Blick zurück und die Schuldsuche undVernissage My Heart war Liebe für alle: Ich kann wieder geben.Ich kann wieder umarmen. Der wahre Kern ist was wir für einen Beruf haben und wie wir den ausführen, das ist komplett abstrakt und von dem her ist es wohl komisch mit mir eine Beziehung zu führen. Das ist sicher nicht am einfachsten.

Sind Sie auf der Suche nach der Liebe?
Auf der Suche wäre übertrieben, aber man lebt ja so dahin und kann das sowieso nicht planen. Was braucht`s das braucht`s irgendwann, das kommt schon.

Wie weit kann das noch gehen? Denkt man an eine internationale Karriere?
Das ist spannend, wir kriegen verhältnismäßig unfassbar viel Feedback auch von nicht deutschsprachigen Ländern und dann überlegt man natürlich. Aber das darf man nicht erzwingen. Man darf es nicht ausschließen aber gleichzeitig sollte man realistisch bleiben. . Wenn es sich danach anfühlt, geht man dem Schritt nach.

Wie sieht der private Maurice Ernst aus?
Ich muss zugeben ich bin kurz davor mir ein gebrauchtes Cabrio zu kaufen und einfach mehr auf das Land zu fahren, ein bisschen mehr nach Italien oder so. Ich glaube jeder muss sich so seine kleinen Freiheiten schaffen. Bis jetzt hat es gefühlt schon gereicht, wenn ich mal auf der Couch liege, aber in Zukunft braucht es glaube ich ein bisschen mehr Freiheiten und ein bisschen mehr Raum. Ich will auch nicht die ganze Zeit irgendwo hinfliegen, das ist mir dann auch zu steil, dass man dann jedes Wochenende irgendwo auf Urlaub hinfliegt. Jetzt bin ich 30 und habe noch nie ein eigenes Auto gehabt. Das schaue ich mir dann mal an, ob das was mit meiner Freiheit macht und in einem Jahr kann ich dann erzählen, ob ich ein neues Hobby hab dadurch.

Zurück zu Schönbrunn: Nahmen Bilderbuch das für die Nachwelt auf?
Ja, auf jeden Fall. Wir schneiden es mit, wir Filmen es. Was genau damit passiert schauen wir uns dann an und vielleicht wird es mit mehr Material eine Dokumentation oder ein reiner Konzertfilm. Sowas macht man nicht ja jedes Jahr, sondern vielleicht einmal alle 5 Jahre oder alle 10 Jahre oder einmal in der Karriere. Aber aufnehmen muss man das auf jeden Fall.

Der nächste Schritt wäre dann Stadion?
Ja oder eben dass man sagt nächstes Jahr spielt man dann ein Arena Open Air. wirklich nur eines. Man muss nicht immer nur höher, weiter, schneller. Das ist gerade so groß geworden in dem Land.

Aber es ist nicht so groß, dass es einem Angst macht, oder?
Nein. Wir haben das immer sehr realistisch gehalten. immer dann, wenn es hätte noch größer werden können haben wir gesagt „hey lassen wir uns Zeit, bleiben wir gesund.“ Ich schließe nichts aus, mache mir aber auch keinen Stress, denn ich habe das nächste Ziel noch nicht vor Augen.

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