Sie war 27 Jahre lang eines der wichtigsten Gesichter des ORF. In einem Interview verrät sie, dass ihr Abgang alles andere als freiwillig gewesen sei.
Nach fast drei Jahrzehnten beim ORF hat sich Claudia Reiterer verabschiedet – freiwillig war der Schritt allerdings nur bedingt. Die langjährige Journalistin und Moderatorin von „Im Zentrum“ wurde, wie sie im Gespräch mit der Presse schildert, mehr oder weniger zum Abschied gedrängt. „Ich wäre gern geblieben“, sagt sie offen – aber: „Es hat geheißen, ich muss vom Bildschirm und von der politischen Berichterstattung weg“
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Das eine hätte sie noch hingenommen, beim anderen war für Reiterer Schluss. „Es war das dritte Mal, dass ich aus der politischen Berichterstattung hätte wegmüssen, die immer Sinn meines journalistischen Daseins war.“ Am Ende stand für sie eine Grundsatzentscheidung: Bleiben und sich fügen – oder gehen und sich treu bleiben? Reiterer entschied sich für Letzteres: „Ich hab mich für die Freiheit entschieden.“
Ohne Begründung
Warum genau man sie im ORF aufs Abstellgleis schob, ist ihr bis heute ein Rätsel. Eine schriftliche Nachfrage blieb unbeantwortet. „Der Chefredakteur meinte, sie müssen mir keinen Grund nennen.“ Also bleibt ihr nur die Spekulation: „War’s das Alter? Die Optik? Die Performance? Oder politische Erwägungen?“
Was auch immer der Auslöser war – Reiterer blickt nach vorn. Die Enge des Küniglbergs hat sie hinter sich gelassen, und die neu gewonnene Selbstbestimmung beschreibt sie als „total gut“. Einfach war der Abschied aber nicht. „Die Entscheidung war das Schwerste. Der Bauch hat eindeutig gesagt: gehen. Der Kopf hat gesagt: bleiben."
Letztlich war es eine Erinnerung aus jungen Jahren, die den Ausschlag gab. Als sie mit 24 das Krankenhaus verließ, um Journalistin zu werden, habe sie „nichts gehabt, keine Ahnung, ob das was wird – aber Mut“. Daran habe sie sich erinnert – und sich wieder getraut.
Auszeit in Sri Lanka
Am 24. April gab Reiterer endgültig ihren Abschied vom Küniglberg bekannt. Nach der Übergabe von Diensthandy, Laptop und Co. gönnte sie sich eine Auszeit mit Ayurveda auf Sri Lanka. Anfangs sei sie noch „schwer gekränkt“ gewesen, doch das Schreiben half ihr, die Enttäuschung zu verarbeiten: „Es hat mir so Spaß gemacht. Ich habe eine Befreiung gespürt, von der Seele weg.“
Die Zeit bei „Im Zentrum“ beschreibt sie als fordernd: Während deutsche Diskussionssendungen mit großen Teams arbeiten, standen ihr zuletzt nur drei Teilzeitmitarbeiter zur Verfügung. Reiterer erinnert sich an hohe Arbeitsbelastung, zahlreiche Absagen von Gästen und viele Telefonate: „Das Arbeitspensum war für alle nicht zu stemmen. Das hinterlässt Spuren. Wir hatten bis zu 32 Absagen pro Woche. An manchen Tagen habe ich 50 Telefonate geführt. Es war so anstrengend. Am Wochenende habe ich gestrebert wie wild, bis ich das Thema intus hatte. Ich habe in den Sendungswochen nie einen freien Tag gehabt. Acht Jahre lang.“
Geburt erschwerte Karriereweg
Trotz aller Widrigkeiten sieht sie sich als „Stehaufweibchen“. Gleichzeitig räumt sie ein, dass die Geburt ihres Sohnes 2004 den Karriereweg erschwerte: „Bis ich meinen Sohn bekommen habe, hatte ich mehr das Gefühl von Gleichberechtigung. Aber ab dem Zeitpunkt war es aus.“ Nach der Geburt wurde sie wegen ihres Äußeren scharf kritisiert und aus der Sendung genommen: „Mir wurde ausgerichtet, dass ich zu viel zugenommen hätte, dass ich für die Zuschauer nicht ansehnlich genug sei. Und ich wurde abgesetzt.“ Sie habe sich dagegen erfolgreich gewehrt.
Die erfahrene Journalistin betont die Bedeutung von Macht: „Ich bin eine Zweckpessimistin. Aber ich finde es wichtig, nicht zu warten, bis der Worst Case eintritt, sondern früher aufzuzeigen, dass etwas in die falsche Richtung läuft. Frauen hören nicht so gern das Wort Macht, aber ohne Macht kann man nichts machen.“
Ob Reiterer künftig selbst in die Politik wechseln wird, lässt sie offen. „Ich habe in meinem Leben gelernt, dass man nichts komplett ausschließen sollte. Vor einem Jahr hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass ich heute dasitze und nicht mehr im ORF arbeite. Ich möchte meine Zukunft offenhalten.“