Wegen besonderer Gefährlichkeit wurde Unterbringung im Maßnahmenvollzug beantragt.
Ein 19-jähriger Bursch, der vor fünf Monaten eine 72 Jahre alte Witwe in ihrer Wohnung in der Davidgasse in Wien-Favoriten in einem Gewaltexzess getötet haben soll, wird wegen Mordes vor Gericht gestellt. Einem psychiatrischen Gutachten zufolge war er zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig. Laut Verteidigerin Astrid Wagner wird sich der Kochlehrling grundsätzlich schuldig bekennen.
Der von der Justiz mit einer Gutachtenerstattung beauftragte psychiatrische Sachverständige Karl Dantendorfer kommt zum Schluss, dass der 19-Jährige, der in einem Wiener Innenstadt-Hotel beschäftigt war, an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung leidet. Diese soll allerdings nicht derart ausgeprägt sein, dass sie einem Schuldausschließungsgrund gleichkommt. Die Staatsanwaltschaft Wien hat daher gegen den bisher Unbescholtenen Anklage wegen Mordes erhoben und für den Fall eines Schuldspruchs seine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher im Sinn des Paragrafen 21 Absatz 2 Strafgesetzbuch (StGB) beantragt. Dantendorfer hält den 19-Jährigen nämlich für derart gefährlich, dass er davon ausgeht, dass dieser ohne entsprechende, im Maßnahmenvollzug gewährleistete Behandlung unter dem Einfluss seiner geistig-seelischen Abartigkeit höheren Grades neuerlich Straftaten mit schweren Folgen begehen wird.
Voll geständig
"Er hat sich von Anbeginn an voll geständig verantwortet", meinte Verteidigerin Astrid Wagner im Gespräch mit der APA. Diese Verantwortung werde der Angeklagte grundsätzlich beibehalten. Das Gericht müsse aber die kombinierte Persönlichkeitsstörung ihres Mandanten beachten: "Aufgrund der festgestellten Persönlichkeitsstörung ist seine Schuldfähigkeit eingeschränkt." Das werde bei den Strafzumessungsgründen zu berücksichtigen sein. Nach dem jüngst novellierten Jugendgerichtsgesetz (JGG) drohen dem 19-Jährigen bei einer Verurteilung wegen Mordes höchstens 15 Jahre Haft, da für junge Erwachsene - Angeklagte, die die ihnen vorgeworfene Straftat vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangen haben - dies das maximal zulässige Strafausmaß ist.
Im Fall des 19-Jährigen könnten aber die Bestimmungen des Maßnahmenvollzugs zum Tragen kommen. Diese sehen vor, dass ein nach Paragraf 21 Absatz 2 Strafgesetzbuch (StGB) verurteilter Straftäter auch nach Verbüßung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe weiter angehalten werden kann. Und zwar grundsätzlich ohne zeitliche Befristung, sofern Experten dem Vollzugsgericht nicht bestätigen, dass von ihm keine Gefahr mehr ausgeht. Ob die Bedingungen für die Anhaltung weiterhin gegeben sind, muss jährlich überprüft werden.
Nichtiger Anlass
Der Lehrling soll die 72 Jahre alte Maria S. aus nichtigem Anlass in einem regelrechten Blutrausch zu Tode gebracht haben. Er wollte am 15. Jänner 2016 seinen Bruder besuchen, der im selben Haus im Anna-Boschek-Hof wie das spätere Opfer lebte. Im Hausgang begegnete er zufällig der Witwe, die ihn zur Rede stellte, weil sie ihn dort beim Rauchen gesehen hatte. Möglicherweise fielen auch abfällige Bemerkungen über die türkischen Wurzeln des in Wien geborenen Burschen. Der 19-Jährige ärgerte sich jedenfalls derart, dass er schließlich zur Wohnungstür der 72-Jährigen ging und anläutete.
Als die Frau öffnete, dürfte es zu einem Gewaltexzess gekommen sein, der in seinem Ausmaß bei Weitem das übersteigt, was unmittelbar nach der Bluttat an die Medien durchgedrungen war. Der Anklage zufolge soll der 19-Jährige der betagten Frau nicht nur mit einem Blumentopf und anderen stumpfen Gegenständen den Schädel eingeschlagen und mit einem Messer 16 Stiche in Brust und Hals zugefügt haben. Er soll das von dem Angriff völlig überraschte Opfer auch mit brennenden Kerzen und einem Bügeleisen malträtiert haben.
Sexuelle Komponente
Folgt man dem Gutachten des beigezogenen Psychiaters, hatte die Bluttat auch eine sexuelle Komponente, die den Angeklagten nach Dafürhalten Dantendorfers besonders gefährlich macht, weil es an der Bereitschaft des 19-Jährigen fehlt, sich mit seiner sexuellen Devianz auseinanderzusetzen. Das wehrlose, schwer verletzte Opfer soll vom Täter im Intimbereich gequält worden sein. Die Misshandlungen dürften sich über einen längeren Zeitraum hingezogen haben. Zwischendurch legte der 19-Jährige seinen eigenen Angaben zufolge mehrere "Rauchpausen" ein.
Dabei irritierte ihn das wiederholte Läuten des Telefons der 72-Jährigen - die Schwester der Pensionistin versuchte mehrfach, diese zu erreichen. Da den Burschen das unentwegte Läuten nervte - am Display leuchtete ständig der Vorname der Schwester ("Anni") auf - ergriff er schließlich das Telefon und warf es ins Waschbecken.
Kopf abschneiden
Am Ende öffnete der Täter laut Anklage dem Opfer mit dem Messer den Hals und versuchte der Getöteten auch noch den Kopf abzuschneiden. Im Obduktionsgutachten wurden unter anderem eine vollständige Durchtrennung der rechten Halsschlagader, eine vollständige Durchtrennung der linken Drosselvene und eine vollständige Zertrümmerung des Schädels beschrieben.