Wien

Drogen-Prozess um Kath: Angeklagte enthaftet

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Das Gericht setzte die Somalier mangels dringenden Tatverdachts auf freien Fuß.

Spannend ist es am Freitag im Wiener Landesgericht in einem Prozess um das Rauschmittel Kath zugegangen. Weil sie im Rahmen einer kriminellen Vereinigung im großen Stil mit Blättern der Pflanze gehandelt haben sollen, die in ihren Anbaugebieten in Ostafrika und dem Jemen als Alltagsdroge gilt, mussten sich drei Somalier nach dem Suchtmittelgesetz vor einem Schöffensenat verantworten.

Das Gericht hatte allerdings Zweifel, ob in diesem Fall der Tatbestand des Handels mit verbotenen Substanzen überhaupt erfüllt wurde. Der Senat beschloss ein ergänzendes Gutachten zum Wirkungsgehalt der beschlagnahmten Blätter einzuholen. Nach längerer Beratung wurde auch den Enthaftungsanträgen der Verteidiger Josef Philipp Bischof, Roland Friis und Andreas Rest (Kanzlei Soyer Kier Stuefer) stattgegeben.

Auf freien Fuß gesetzt

Die drei Angeklagten, die sich seit knapp sechs Monaten in U-Haft befanden, wurden gegen Gelöbnis, das Land nicht zu verlassen, und Abgabe ihrer Pässe auf freien Fuß gesetzt. Der vorsitzende Richter Wilhelm Mende begründete das folgendermaßen, ehe er die Verhandlung auf unbestimmte Zeit vertagte: "Der Tatverdacht hat sich insoweit relativiert, als dass nicht mehr zwingend davon auszugehen ist, dass eine Verurteilung erfolgen müsste."

Dabei hatten sich die Männer im Alter zwischen 28 und 36 Jahren grundsätzlich geständig gezeigt. Sie gaben zu, wiederholt Zweigspitzen und Blätter des Kathstrauchs mit dem Pkw von Ungarn nach Wien gebracht zu haben, die ihre Hintermänner zuvor per Flugzeug nach Budapest geschafft hatten. In Wien lagerten sie das Kath ein, verpackten es in einer Wohnung in Kartons und verschickten es dann per Post nach Skandinavien. Beim Aufgeben mehrerer Pakete, die rund 31 Kilogramm Kath enthielten, wurde das Trio am 8. März 2016 festgenommen. In einem Keller und einem angemieteten Lagerraum wurden weitere 438 Kilogramm sichergestellt.

Zweifel an Strafbarkeit

Ungeachtet der inkriminierten Menge von fast einer halben Tonne und der Geständnisse der Angeklagten hatte Verteidiger Bischof gleich zu Beginn der Verhandlung Zweifel an der Strafbarkeit angemeldet. Kath wird üblicherweise vom Strauch gezupft und sofort gekaut, ein bis drei Tage nach dem Pflücken soll die Wirkung deutlich nachlassen. Im gegenständlichen Fall ging es ausschließlich um getrocknete Blätter. "Ich glaube daher, dass ein Sommerspritzer mehr kann, als darauf herumzukauen", meinte Bischof. Man befinde sich "an der Schwelle, ob das überhaupt als Droge einzustufen ist", gab er zu bedenken. Und weiter: "Wer in einem Baumarkt einen Kaktus kauft, erwirbt ja auch kein Suchtgift, weil da Meskalin drinnen ist".

Beim Vorsitzenden lief Bischof mit dieser Argumentation offene Türen ein. Auch Richter Mende hatte sich im Vorfeld augenscheinlich informiert und präsentierte in der Verhandlung wissenschaftliche Untersuchungen, denen zufolge getrocknete Kath-Blätter kaum für Rauschzustände gut sein dürften. "Es ist schlicht und ergreifend völlig wirkungslos", fasste Mende die Ergebnisse zusammen. Außerdem legte der Richter ein Dokument vor, aus dem hervorgeht, dass offenbar selbst das Justizministerium den Kathstrauch nicht für gefährlich hält. Im Mai 2014 hatte das Justizministerium nach einer strafrechtlichen Verurteilung mit der Bemerkung, man habe sich "bewusst dafür entschieden", Kath "im Suchtmittelgesetz nicht zu erwähnen", bei der Generalprokuratur eine Nichtigkeitsbeschwerde zu Wahrung des Gesetzes gegen den in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch angeregt. Im Ministerium hielt man die ergangene Verurteilung offensichtlich für verfehlt. "Die Aus- und Einfuhr unterliegt keiner Strafbarkeit", so die - zumindest damalige - Rechtsansicht des Justizministeriums.

"Veritabler Rechtsstreit"

Was aus der Anregung an die Generalprokuratur geworden ist, ließ sich für Richter Mende nicht klären: "Da haben wir keine Einsicht." Im Unterschied zum Ministerium dürfte der Oberste Gerichtshof (OGH) aber weiter auf dem Standpunkt stehen, dass Kath zu den verbotenen Substanzen zu zählen ist. Die Pflanze unterliege "den Beschränkungen des Suchtmittel-Gesetzes", stellte der OGH im März 2015 in einer Entscheidung fest.

"Ein veritabler Rechtsstreit zwischen BMJ und OGH also", befand Mende. Um beurteilen zu können, ob in seinem Fall das Suchtmittelgesetz (SMG) überhaupt zum Tragen kommt, will er nun den Wirkstoffgehalt der sichergestellten getrockneten Blätter auf spezielle Weise ermitteln lassen. Sie sollen in Wasser eingeweicht, extrahiert und analysiert werden, um abzuklären, ob sich die Wirkstoffe Cathin und Cathinon dabei in einem Ausmaß nachweisen lassen, das über der Grenzmenge liegt, die eine Strafbarkeit nach dem SMG begründen würde.

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