ÖSTERREICH-Reporterin fand Vergewaltigungs-Opfer: Sie erzählt von ihrem Horror-Trip.
Von Saskia Aberle
Ihre dramatische Geschichte beherrscht seit Tagen die Titelseiten der Zeitungen. ÖSTERREICH hatte die Hintergründe in Dubai recherchiert. Danach unterschrieben mehr als 250.000 Menschen eine Petition zur Freilassung der 29-Jährigen. Zum ersten Mal spricht jetzt das Opfer selbst über seine Erlebnisse. ÖSTERREICH durfte mit Marie T. (Name von der Red. geändert) telefonieren.
„Ich bin stolz, eine Österreicherin zu sein, sonst wäre ich verloren gewesen“, sagt die 29-Jährige. Sie spricht mit weicher wienerischer Färbung, ihre Stimme klingt stark. Es sind ihre ersten Stunden in Sicherheit, die ersten Tage zurück in der Heimat. Seit Donnerstag hat sie wieder österreichischen Boden unter den Füßen. Außenminister Sebastian Kurz holte sie am Flughafen in Schwechat ab, rund 14 Kilometer von ihrem Zuhause.
Erst vergewaltigt, dann von Behörden verhaftet
Marie hatte im vergangenen Jahr ein Praktikum in Dubai absolviert. Der Mann, den sie der Vergewaltigung bezichtigt, ist ein Bekannter von Freunden (er stammt aus dem Jemen).
Nach einer Feier am 1. Dezember im Fünf-Sterne-Hotel Raffles, so ihre Darstellung, sei sie mit ihm in die Tiefgarage zu seinem Auto gegangen. Sie habe sich neben ihn gesetzt, dann sei sie vergewaltigt worden. Hotelgäste hätten die Polizei alarmiert, weil sie geweint habe. Doch statt einen Arzt zu konsultieren, sollen die Beamten Marie verhaftet haben. Drei Tage sperrte man sie in eine Zelle.
Niemand sagte der Wienerin den Grund. „Erst als sie mich rausgelassen haben, wurde ich informiert.“ In einem Arabisch, das sie kaum verstand, erklärten ihr die Beamten, dass sie wegen außerehelichen Sex und Alkoholkonsums angeklagt wird. Strafmaß: bis zu einem Jahr Haft, vielleicht länger. Doch davor muss sie sich jetzt nicht mehr fürchten.
Marie will anonym bleiben. Zu groß ist ihre Scham, zu groß die Angst vor der öffentlichen Meinung. Für sie ist ohnehin nur eines wichtig: wieder in Sicherheit zu sein.
Das Interview: "Ich wurde behandelt wie ein Hund"
ÖSTERREICH: Die wichtigste Frage zuerst. Wie geht es
Ihnen heute?
Marie T.: Jetzt geht es mir wieder ganz gut.
ÖSTERREICH: Wie haben Sie die letzten Monate erlebt?
Marie: Es war schrecklich. Man glaubt, dass es überall so läuft wie in Europa, aber ich weiß es jetzt besser. In Dubai ist alles anders.
ÖSTERREICH: Sie waren dort auch drei Tage in Haft. Wie ist man mit Ihnen umgegangen?
Marie: Ich wurde behandelt wie ein Hund. Niemand hat mit mir so richtig gesprochen. Die Leute dort waren total verschlossen.
ÖSTERREICH: Aber sprechen Sie denn überhaupt Arabisch?
Marie: Ja, schon. Aber die Menschen dort sprechen einen anderen Dialekt. Das war dann schwierig. Ich wusste oft nicht, ob ich sie überhaupt richtig verstanden habe.
ÖSTERREICH: Was ist in Ihrem Kopf vorgegangen, als Sie verhaftet wurden?
Marie: Ich hab es ja nicht einmal gewusst bis zur letzten Minute. Man hat mir alles weggenommen und mich einfach eingesperrt. Niemand hat mich über meine Situation informiert.
ÖSTERREICH: Wann wurden Sie davon in Kenntnis gesetzt, dass die Polizei gegen Sie ermittelt, wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs?
Marie: Erst nach drei oder vier Tagen. Erst als sie mich rausgelassen haben, wurde ich informiert.
ÖSTERREICH: Wo sind Sie in den vergangenen Monaten in Dubai untergekommen?
Marie: Bei Freunden. Aber es war sehr stressig. Ich musste immer wieder woanders hin.
ÖSTERREICH: Was war Ihre Rettung?
Marie: Österreich war meine Rettung. Ich bin stolz, dass ich eine Österreicherin bin. Hätte ich eine andere Nationalität, wäre ich schon längst verloren gewesen. Ganz herzlich möchte ich mich bei Sebastian Kurz
und dem ganzen Team bedanken. Niemals hätte ich gedacht, dass sie so stark sind, um mich zu retten. Die Diplomatin Elisabeth Ellison-Kramer und Botschafter Peter Elsner-Mackay und die ganze österreichische Botschaft in Dubai haben sich um mich gekümmert wie eine Familie.
ÖSTERREICH: Inwiefern gekümmert?
Marie: Ich bin sehr oft zu ihnen gekommen, um mit ihnen zu sprechen. Dort musste ich dann meine ganze Geschichte aufschreiben. Jedes Detail war wichtig. Aber sie haben sich nicht nur in der Sache um mich gekümmert, sondern sie haben auch für mich gesorgt. Haben immer gefragt, ob ich alles habe, ob es mir gut geht. Das war eine sehr große Hilfe.
ÖSTERREICH: Würden Sie jemals wieder nach Dubai reisen?
Marie: Nein, bestimmt nicht. Ich muss auch nicht mehr. Das war’s jetzt. Und nach dieser Reise habe ich sogar gedacht, dass ich niemals wieder in ein arabisches Land reise.