Das Justizministerium in Wien hat eine Fortführung des Verfahrens zur Kaprun-Katastrophe aufgrund neuer Beweismittel genehmigt.
In einer Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Salzburg vom 16. April dieses Jahres hat ein deutscher Gutachter, der für den Heizlüfter-Hersteller "Fakir" tätig war, schwere Vorwürfe gegen die Sachverständigen im Strafprozess um die Brandkatastrophe in Kaprun vom 11. November 2000 mit 155 Toten erhoben. Das Justizministerium in Wien hat nun eine Fortführung des Verfahrens gegen die Gutachter aufgrund neuer Beweismittel genehmigt. Allerdings muss noch entschieden werden, welche Staatsanwaltschaft dafür infrage kommt, erläuterte am Freitag der Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft in Linz, Friedrich Hintersteininger
"Keine Wiederaufnahme des Hauptverfahrens"
Es gehe hier
nicht um eine Wiederaufnahme des Kaprun-Hauptverfahrens, "sondern um ein
Ermittlungsverfahren gegen die angezeigten Gutachter aufgrund einer Anzeige
des deutschen Sachverständigen Hans-Joachim Keim", konkretisierte
Hintersteininger. Zu überprüfen sei, ob ein vorsätzlich falsches Gutachten
im Kaprun-Strafprozess von den Sachverständigen erstellt worden sei.
Salzburger Staatsanwältin befangen?
Geklärt werden muss, ob
die in Salzburg dafür zuständige Staatsanwältin Eva Danninger-Soriat oder
allenfalls auch die gesamte Salzburger Anklagebehörde befangen ist oder
nicht. Dazu hat auch die zuständige Oberstaatsanwaltschaft Linz ihre Ansicht
erläutert und am Donnerstag eine Stellungnahme an das Justizministerium
übermittelt. Möglicherweise könnte eine andere Staatsanwaltschaft als die in
Salzburg den Fall übernehmen. Eine Entscheidung über die Zuständigkeit werde
demnächst getroffen, sagte Hintersteininger.
Gegen die Fortführungsentscheidung können die angezeigten Sachverständigen aber innerhalb von 14 Tagen einen Einspruch wegen Rechtsverletzung nach Paragraf 106 der Strafprozessordnung erheben, so der Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft. Wird dem Einspruch nicht stattgegeben, dann werden die Stellungnahmen der österreichischen Gutachter zu den Vorwürfen eingeholt.
Neue Beweismittel
Paragraf 193 sieht die Fortführung eines
Verfahrens vor, wenn neue Beweismittel entstehen, und als solches wurde das
Gutachten des deutschen Sachverständigen Hans-Joachim Keim gewertet. Keim
hatte drei Jahre nach den Freisprüchen im Kaprun-Strafverfahren heuer in
seiner Anzeige den Sachverständigen vorgeworfen, dass "im Prozess
in Österreich zielgerichtet versucht wurde, Tatsachen zu vertuschen und zu
unterdrücken".
Gegen die österreichischen Gutachter war schon einmal eine Anzeige eingebracht worden. Das Justizministerium hat im November 2007 entschieden, das Verfahren nicht wieder aufzunehmen.
Die Wiederaufnahme war nach der Einstellung des deutschen Strafverfahrens gegen Verantwortliche der Heizlüfterfirma "Fakir" angedacht worden. Die Staatsanwaltschaft Heilbronn vertrat wie die Kollegen in Salzburg die Auffassung, dass das "Haushaltsgerät" für den Einbau in die Standseilbahn nicht geeignet gewesen sei. Produktionsfehler haben die deutschen Behörden keine erkennen können.
Laut Urteil des Strafprozesses am Landesgericht Salzburg vom Februar 2004 soll aber ein Konstruktions-, Material- und Produktionsmangel des Heizlüfters Fakir das Flammeninferno ausgelöst haben. Alle 16 Beschuldigten wurden damals freigesprochen.