Prozessbeginn

"Es war eine Hinrichtung"

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Ein 58-Jähriger hatte am Gericht Korneuburg eine Rechtspflegerin erschossen.

Dem Gerichtspsychiater Werner Brosch zufolge machte der Angeklagte bei der Untersuchung einen unauffälligen Eindruck, zeigte aber im Gespräch eine betonte Selbstbezogenheit, sprach der Sachverständige von einer narzisstisch akzentuierten Persönlichkeit, "wie sie aber viele Menschen haben". Beim 58-Jährigen liege keine Persönlichkeitsstörung und keine Krankheit vor - und auch keine chronische Alkoholabhängigkeit.

Keine psychische Störung
In Zeiten höherer Belastung oder bei zwischenmenschlichen Schwierigkeiten in vermehrtem Ausmaß Alkohol zu konsumieren sei aus psychiatrischer Sicht noch keine psychische Störung. Laut Zeugenaussagen lag beim Angeklagten auch keine schwere Berauschung, die Desorientiertheit und neurologische Ausfälle bedeute, vor, so Brosch: Der Angeklagte habe noch unfallfrei Auto fahren, das Gerichtsgebäude finden, dort Stiegen steigen und mit Menschen sprechen können. Aus psychiatrischer Sicht seien weder ein Zustand voller Berauschung noch Voraussetzungen für eine Einweisung in den Maßnahmenvollzug gegeben.

2,7 Promille
Laut Günter Gmeiner, der die Blutprobe chemisch untersuchte, wies der 58-Jährige bei Abnahme der Probe viereinhalb Stunden nach der Tat etwa zwei Promille auf. Gerechnet mit einer durchschnittlichen Abbaurate von 0,15 Promille dürfte er zum Tatzeitpunkt rund 2,7 Promille Alkohol im Blut gehabt haben. Die volle Schwankungsbreite an Abbauraten abdeckend, müsse der Angeklagte mit 2,45 bis 3,1 Promille beeinträchtigt gewesen sein. Allein davon könne man "aber nicht notwendigerweise auf individuelle Beeinflussung schließen", betonte er. Im Allgemeinen sei aber von starker psychomotorischer Beeinträchtigung auszugehen.

Das Opfer erlitt einen Schuss in den Mund, der die Zunge und den Mundboden durchschlug und am rechten hinteren Nacken wieder austrat, führte der Gerichtsmediziner Wolfgang Denk aus. Die 42-Jährige sei in der Folge am Blutverlust, dem Einatmen des Blutes - vergleichbar mit "Ertrinken im eigenen Blut", wie er meinte - sowie einer Luftembolie des Herzens "innerhalb von Minuten nach dem Vorfall" gestorben. "Auch durch Erste-Hilfe-Maßnahmen ist hier der Todeseintritt nicht zu verhindern gewesen."

Geschworene bekamen Tatwaffe

Schießsachverständiger Ingo Wieser erläuterte die Handhabung der Pistole, die zum Tatzeitpunkt mit Vollmantelgeschoßen geladen und entsichert gewesen war. Richter Gernot Braitenberg ließ die Geschworenen die Pistole in die Hand nehmen, damit sie spüren konnten, welcher Druck notwendig ist, um den Abzugswiderstand beim Abdrücken zu überwinden. Außerdem wurde der Abstand von 25 Zentimeter bei der Schussabgabe mit einer Puppe und einem Lineal demonstriert.

Gegen Ende des Verhandlungstages entspann sich noch ein heftiger Disput zwischen Verteidigerin und dem psychiatrischen Gutachter bzw. dem Richter. Diskutiert wurde über die Menge des vom Angeklagten getrunkenen Alkohols sowie dessen Wirkung. Das Verfahren wird morgen, Freitag, fortgesetzt.

 

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