Der frühere Finanzminister hatte keinen Einspruch gegen die Anklage der WKStA wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung eingebracht. Sein Anwalt rechnet mit Freispruch.
Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser muss wieder vor Gericht. Die Anklage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung ist rechtswirksam, ein Einspruch dagegen sei nicht erhoben worden, bestätigte die Sprecherin des Straflandesgerichts Wien einen Bericht des "Standard" (Wochenendausgabe). Grasser und sein mitangeklagter Berater bestreiten den Vorwurf, es gilt die Unschuldsvermutung.
Für eine Hauptverhandlung gebe es noch keine Termine, so die Gerichtssprecherin Christina Salzborn am Montag zur APA. Laut der Zeitung werde der Strafprozess wohl im ersten Halbjahr 2022 stattfinden.
Grassers Anwalt Manfred Ainedter rechnet mit einem Freispruch, wie er auf Anfrage des "Standard" sagte: Man habe gute Argumente, um die Anklage zu widerlegen. Das Abgabenverfahren vor dem Bundesfinanzgericht dazu läuft noch.
4,38 Millionen Euro nicht versteuert
Es geht darum, ob die Vertriebsprovision aus der Zeit von Grassers Geschäften für die Meinl International Power (MIP) Grasser zurechenbar ist und ihn eine persönliche Steuerpflicht trifft - der Ex-Finanzminister sieht es nicht so. Er sagt, er habe sich voll auf seinen Berater verlassen, während der sagt, Grasser habe die Konstruktion eigenmächtig verändert.
Die WKStA wirft Grasser vor, er habe 4,38 Millionen Euro an Meinl-Provisionen nicht versteuert, die er 2007 für Vertriebsleistungen bekam, und so 2,16 Mio. Euro an Abgaben hinterzogen. Sein Berater habe die Idee für die Konstruktion via British Virgin Islands gehabt, über die die Vertriebsprovision abgewickelt wurde, und zwei nicht nachzuverfolgende Vertragsrechtskreise entwickelt. Der Strafrahmen sieht eine Geldstrafe bis zum Zweifachen des Verkürzungsbetrages vor. Neben der Geldstrafe kann eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren verhängt werden.
Grasser war nach seiner Amtszeit als Finanzminister in zwei Regierungen von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) im Jahr 2007 in das Meinl-Wirtschaftsimperium eingestiegen. Die Meinl Power Management Ltd. (MPM) mit Sitz auf der Kanalinsel Jersey war die Managementgesellschaft der Meinl International Power (MIP), die im Jahr 2007 an die Börse ging. Grasser war an der MPM beteiligt, ebenso die Meinl Bank. 2009 zog sich Grasser aus der Gesellschaft zurück.
Der "Standard" zitiert aus der 100-seitigen Anklageschrift: Laut WKStA stelle sich Grasser als "steuerlicher Dilettant" dar – was er nicht sei. Die WKStA attestiere ihm "überdurchschnittliches steuerrechtliches Wissen" und stütze sich dabei auf sein Betriebswirtschaftsstudium, seine Diplomarbeit und seine sieben Jahre als Finanzminister. Ihm und dem nun mitangeklagten Berater sei bewusst gewesen, dass Grasser seine Provisionszahlungen in der Einkommenssteuererklärung für 2007 hätte deklarieren müssen.
Für Grasser ist der Berater das "Mastermind" des Stiftungskonstrukts, er selbst will die Dokumente, die er von ihm bekam, "großteils nicht einmal durchgelesen, sondern unreflektiert unterschrieben" haben, heißt es laut "Standard" in der Anklage. Sein Berater bestritt das, Grasser habe Änderungswünsche etwa für Statuten gehabt, in einem Fall sogar die Idee für eine Treuhandlösung. Die WKStA ordnet das so ein: Beide seien sie bestrebt gewesen, "ihre eigene Verantwortung kleinzureden und aufs Gegenüber abzuschieben".