Ende aller Spekulationen

Fall Natascha ist gelöst

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FBI & deutsche Experten legten Kampusch-Schlussbericht vor.

Aus, vorbei: Österreichs größter Kriminalfall ist endgültig Geschichte. Eine internationale Expertenkommission aus FBI, deutschem Bundeskriminalamt (BKA) und heimischen Ermittlern zieht einen Schlussstrich unter die Causa Natascha gezogen: „Priklopil war Einzeltäter, er hat Selbstmord verübt und wir fanden keine Verbindungen zu Sadomaso- oder Rotlicht-Szene“, so Jörg Zierke, deutscher BKA-Chef am Montag. Er wird keine Anzeige oder neue Ermittlungen geben – einzig einen möglichenr Betrug von Priklopil-Freund Ernst H. prüft die Justiz.

Natascha, Tatzeugen, Ernst H. nicht erneut befragt
Und das ist das Fazit nach 9 Monaten Analyse von 300.000 Aktenseiten. Die FBI- und BKA-Experten räumen auch mit allen Widersprüchen auf:

l Selbstmord. Es gibt für sie keinen Zweifel am Selbstmord des Entführers Priklopil, bestätigten die FBI-Experten. Sie haben nochmals dem Lokführer und Zugbegleiter jenes Triebwagens befragt, vor den sich Priklopil geworfen hat.

l Augenzeugin. Eindeutig beurteilt die Kommission die Aussage jenes 12-jährigen Mädchens, das bei der Entführung zwei Männer gesehen haben will. Ziercke: „Sie ist subjektiv glaubwürdig, aber objektiv hat sie sich geirrt.“ Ischtar A. gab an, dass sie in jenem Kastenwagen, in dem Natascha entführt wurde, zwei Männer am Vordersitz gesehen hat. Es wurden im Auto wie auch im Wohnhaus keine DNA-Spuren oder Fingerabdrücke gefunden, die auf einen weiteren Täter hinweisen würden.

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l Scheintelefonate. Priklopil fuhr mit Natascha nach der Entführung in ein Waldstück und telefonierte. Er erklärte ihr, „dass die anderen nicht kommen.“ Ziercke: „Das ist ein typisches Verhalten, das wir kennen.“ Damit will der Täter dem Opfer vormachen, dass es im Hintergrund noch einen mächtigen Komplizen gibt.

l Polizeipannen. Ziercke spart nicht mit Kritik: „Es gab Fehleinschätzungen. So wurde der Hinweis eines Diensthundeführers auf Priklopil nicht verfolgt.

Weder Natascha noch Ernst H., bester Freund des Entführers, wurden von der Kommission befragt: „Das ist angesichts der vorliegenden Protokolle nicht nötig gewesen“, schließt BKA-Chef Ziercke.

Jörg Ziercke, Chef des BKA Wiesbaden
ÖSTERREICH:
84 Zeugen wurden für die Evaluierung befragt, die einzige echte Tatzeugin, Ischtar A., aber nicht. Warum?
Jörg Ziercke:
Wir kennen ihre Aussage, mit geringer Wahrscheinlichkeit hätte sie etwas anderes gesagt. Subjektiv ist sie glaubwürdig, aber objektiv hat sie sich geirrt. Ich schließe aus, dass ihre Beobachtungen stimmen. Sie hat das Täter-Fahrzeug mit einem „Buckel“ beschrieben. Objektiv ist nachweisbar, dass das Tatfahrzeug ein anderes ist.

ÖSTERREICH: Der Bericht deckt Polizeipannen auf. Was warensind die größten Fehler der Ermittler?
Zierke:
Hinweise in der ersten Zeit nach der Entführung wurden nicht ernst genommen worden. Es gab Fehler bei der Zusammenführung und Bewertung.

ÖSTERREICH: Hätte das Verlies von der Polizei gefunden werden müssen?
Ziercke:
Ich war selbst beim Lokalaugenschein. Ohne konkrete Hinweise hätte das Verlies auch nicht bei einer Hausdurchsuchung nicht entdeck werden können.

Vater Ludwig Koch im Interview:
ÖSTERREICH:
Herr Koch, der Kampusch-Endbericht behauptet, dass Priklopil ein Einzeltäter war. Ist der Bericht für Sie glaubwürdig?
Ludwig Koch:
Ich würde den Bericht gerne für glaubwürdig halten. Wenn ich ehrlich bin, glaube ich nicht, dass den Experten vom FBI und dem BKA alle Unterlagen zur Verfügung gestellt wurden.

ÖSTERREICH: Das heißt, Sie halten an der Mehrtäter-Theorie fest?
Koch:
Egal, was in dem Endbericht steht, ich habe meine Zweifel an der Einzeltäter-Theorie. Und meine Meinung kann mir niemand wegnehmen. In meiner bescheidenen Denkweise habe ich mit meinen Vermutungen immer recht gehabt. Und ich stehe mit meiner Meinung nicht alleine da, weil auch hochrangige Akademiker Zweifel angemeldet haben.

ÖSTERREICH: Laut Bericht gibt es keinen Zweifel daran, dass Priklopil Selbstmord begangen hat.
Koch:
Ich habe mir mehrmals die Schnellbahn­strecke angeschaut, an der Priklopil starb. Da findet man entlang der Strecke viele zerfetzte Tierkadaver. Und ausgerechnet der Leichnam von Priklopil ist fast unverletzt, obwohl er sich vor den Zug geschmissen hat?

ÖSTERREICH: Auch die Vermutung, dass Priklopil Kontakte in die Sexszene hatte, werden vom Endbericht entkräftet. Ist diese Erkenntnis für Sie als Vater eine Erleichterung?
KOCH:
Ich wäre froh, wenn der Bericht die Wahrheit wäre. Aber Herr Priklopil und Herr Holzapfel haben gutes Geld verdient. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das alles nur mit ehrlicher Arbeit geschehen ist.

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