Wien/NÖ

Fall Sofia: "So lief unsre Flucht"

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In ÖSTERREICH schildert Sofias Mutter, wie die Familie die wochenlange Flucht erlebte.

Ihre Haut ist braun gebrannt von der spanischen Sonne, doch ihre Augen können die Spuren wochenlanger Flucht nicht leugnen. ÖSTERREICH besuchte die Familie von Sofia nach deren Rückkehr: Spielsachen säumen den bunten Teppich im Wohnzimmer, auf dem Tisch stapeln sich Sorgerechts-Akten. Sofia (6) ergreift fest die Hand ihrer Mama Doris: „Ich bin froh, daheim zu sein“, sagt sie und lächelt.

Vier Wochen Flucht – ohne Handy, E-Mail, Geld
Der Sorgerechts-Streit um die Sechsjährige erfuhr eine glückliche Wende: Seit Mittwoch ist die Gefahr ihrer Abschiebung zum italienischen Vater gebannt. Und: Eine positive Lösung ist in Sicht.
Nach vier Wochen Flucht war die Heimkehr nach Österreich wie eine Erlösung. Zuvor trieb die Verzweiflung die Familie bis nach Gran Canaria. Die Flucht verlief filmreif. „Zuerst kamen wir bei Freunden unter, später bei fremden Menschen“, sagt Povse zu ÖSTERREICH.
Sie wechselten fast täglich den Schlafplatz, verzichteten auf Handy, E-Mail und Bankomat-Karte. Die Angst, erkannt zu werden, war allgegenwärtig. Kurz vor der Demo für Sofia in Wien beschloss die Familie, außer Land zu reisen. „Wir sind mit dem Auto nach Barce­lona. Ich agierte wie im Schockzustand“, so Povse.

Doch das Auto ging kaputt und das Geld wurde weniger. Bei einem Bekannten in Gran Canaria kamen die Povses schließlich unter. Doch die Ungewissheit blieb: „Als Sofia einen Polizisten sah, sagte sie, wir müssen uns verstecken.“ Als sich die Lösung ankündigte, half Milliardär Stronach, flog die Familie nach Wien. „Die erste Nacht zu Hause hat Sofia so gut wie lange nicht geschlafen“, erzählt die Mama. „Sofia braucht jetzt einfach viel Ruhe.“

Doris Povse erzählt alle Details zur Flucht mit Tochter Sofia:
"Sofia hat mich getröstet, als es mir schlecht ging"

ÖSTERREICH: Wann und warum haben Sie sich entschieden, mit Sofia zu flüchten?
sofia povse: Als mehrere Anträge beim Bezirksgericht Wiener Neustadt abgewiesen wurden und nur noch ein Antrag offen war, sah ich keinen anderen Ausweg. Der Kindesvater hat eine Stellungnahme abgegeben, Sofia unbedingt zurück. Da entschied ich mich, mit ihr „auf Urlaub“ zu fahren. Mir war aber rasch klar, ich fahre nicht mehr heim.

ÖSTERREICH:
Wie gestaltete sich die Flucht? Wohin sind Sie mit Sofia gefahren?
povse: Zu Beginn sind wir bei Freunden untergekommen, haben aber oftoft das Quartier gewechselt. Niemand hat gezögert, uns zu helfen, obwohl sie sich ja eigentlich strafbar machten. Uns haben sogar wildfremde Menschen aufgenommen.

ÖSTERREICH: Worauf haben Sie geachtet? Dass Sie unerkannt bleiben?
povse: Ich habe kein Handy benützt, keine E-Mails geschrieben, keine Bankomat-Karte verwendet, auch keine Zeitungen gelesen oder TV geschaut. Ich hatte keinen Kontakt zu meinem eigenen Vater, weil es zu gefährlich gewesen wäre. Nur über Freunde oder Bekannte habe ich Botschaften mit meinem Lebensgefährten ausgetauscht, das war auch für ihn die härteste Zeit.
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ÖSTERREICH: Wie hat sich Sofia auf der Flucht verhalten?
povse: Sofia war stärker als ich. Sie hat mir mit ihrer Leichtigkeit geholfen. Sie hat mich getröstet, wenn es mir schlecht ging. Am Beginn der Flucht habe ich ihr die Wahrheit zwar verschwiegen, dann habe ich ihr alles erklärt. Ich sagte zu ihr, dass die Polizei sie abholen wollte, sie antwortete nur: „Wir waren aber nicht da.“ Ich habe zu ihr immer gesagt, sie wissen nicht, wo wir sind. Ich erzählte ihr bis zum Schulbeginn wird es eine ­Lösung geben. Dass sie dann mit ihrer Freundin Laura in die Schule gehen kann. Ein Mal, in Gran Canaria, sagte Sofia beim Spazierengehen zu mir: „Mama, da ist Polizei, wir müssen uns verstecken.“ Mein Lebensgefährte war der Fels in der Brandung

ÖSTERREICH:
Warum sind Sie dann letztendlich ganz aus ­Österreich geflüchtet?
povse: In der Nacht vor der großen Demonstration rief mich mein Lebensgefährte an und sagte „Wir müssen weg, es ist zu gefährlich.“ Wir entschieden uns für Barcelona. Deutschland, Ungarn, Schweiz oder Frankreich waren viel zu gefährlich. Wir sind dann in einer Nacht- und- Nebel-Aktion mit dem Auto nach Barcelona gefahren, 26 Stunden ohne Pause. Am Steuer haben wir uns abgewechselt. In Barcelona ist uns das Auto eingegangen.

ÖSTERREICH: Aber dort sind Sie nicht lange geblieben.
povse: Nein. Bekannte haben uns in Gran Canaria aufgenommen –  Aber wir hatten  nur Geld für ein One-Way-Ticket. Wir wussten ja nicht, wie lange wir bleiben. Wir waren zu allem bereit, sogar zum Auswandern.

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Sofia darf bei Mama bleiben