Wien-Wieden

Lebenslang für Mord an Kindermädchen

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Für das Gericht war "nur die Höchststrafe tat- und schuldangemessen".

Ein gambischer Asylwerber ist am Mittwoch im Wiener Landesgericht wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Geschworenen gingen ungeachtet seiner Unschuldsbeteuerungen einstimmig davon aus, dass Abdou I. (24) am 24. Jänner 2016 ein aus den USA stammendes Kindermädchen in ihrer Wohnung in der Wiedner Hauptstraße vorsätzlich zu Tode brachte.

"Niedrigste Motive"
Laut gerichtsmedizinischem Gutachten wurde Lauren M. erstickt, indem der Täter ihren Kopf kraftvoll mehrere Minuten gegen Bettzeug drückte und ihr somit die Atemwege verlegte. "In diesem Fall ist nur die Höchststrafe tat- und schuldangemessen", stellte der Vorsitzende des Schwurgerichts, Ulrich Nachtlberger, in der Urteilsbegründung fest. Der Angeklagte habe "die Hilfsbereitschaft des Opfers schamlos ausgenutzt" und die 25-Jährige "aus niedrigsten Motiven" getötet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Verteidigerin Astrid Wagner meldete dagegen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.

"Dass das Mädchen verstorben ist, tut mir wirklich leid. Sie war eine gute Frau zu mir", hatte Abdou I. in seiner Beschuldigteneinvernahme erklärt. Er habe sie nicht getötet: "Ich hatte keinen Grund dazu." Seiner Verantwortung standen allerdings ein belastendes DNA-Gutachten, mehrere Zeugenaussagen und die Ergebnisse einer Rufdatenerfassung entgegen.

Ehrenamtliche Flüchtlingshelferin
Die Leiche der jungen Frau war am 26. Jänner in Bauchlage auf einer Matratze in ihrer Ein-Zimmer-Wohnung entdeckt worden. Mehrere Freunde hatten die US-Amerikanerin tagelang telefonisch nicht erreichen können und schließlich eine Abgängigkeitsanzeige erstattet. Die Polizei ließ die Wohnungstür schließlich von der Feuerwehr öffnen. Lauren M. war als Teenager als Au-Pair-Mädchen nach Wien gekommen und hatte eineinhalb Jahre für die Familie eines Rechtsanwalts gearbeitet. Nachdem sie in ihrer Heimat die Schule abgeschlossen hatte, kam sie zum Studieren wieder nach Wien. Der Anwalt besorgte ihr eine Wohnung, und indem sie für ihn wieder als Kindermädchen arbeitete, verdiente sie sich ihr Geld fürs Germanistik-Studium.

Die 25-Jährige engagierte sich zudem ehrenamtlich als Flüchtlingshelferin. Sie gab beispielsweise Asylwerbern Deutschunterricht. So lernte sie schließlich auch Abdou I. kennen, der im Frühjahr 2014 nach Europa gekommen war. Der Flüchtling stellte zunächst in Italien einen Asylantrag und wurde daher nach der Dublin-III-Verordnung wieder dorthin abgeschoben, als er im Dezember 2015 in einem Wiener Flüchtlingsquartier aufgegriffen wurde. Er kehrte sieben Tage später illegal nach Wien zurück, rief Lauren M. an, ließ sich von ihr am Bahnhof abholen und kam in weiterer Folge in ihrer Wohnung unter.

Sexuelles Verhältnis
Zwischen den beiden entwickelte sich ein sexuelles Verhältnis, das seitens der Studentin aber nicht auf den 24-Jährigen beschränkt blieb. Bei ihr dürfte sich um eine aufgeschlossene junge Frau gehandelt haben, die mit verschiedenen Männern verkehrte. "Ihre sexuelle Offenheit war ihm ein Dorn im Auge", meinte Staatsanwältin Christina Schnabl. Als Abdou I. am 24. Jänner gegen 4.00 Uhr von einem Disco-Besuch in ihrer Wohnung einlangte, fand er die Studentin in den Armen eines 15 Jahre alten afghanischen Burschen vor. Wie der Jugendliche nun als Zeuge erklärte, war er in den Nachtstunden mit der um zehn Jahre älteren Frau intim geworden.

Für die Staatsanwältin steht fest, dass die 25-Jährige deshalb sterben musste, nachdem der 15-Jährige am folgenden Morgen die Wohnung verlassen hatte: "Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht." Sie habe "den ganz starken Verdacht, dass er die Tat aus Eifersucht oder Wut gesetzt hat", sagte die Anklägerin.

Widersprüchliche Aussagen
Der Angeklagte behauptete demgegenüber, er wäre nach seiner Abschiebung am 11. Dezember gar nicht mehr nach Österreich gereist, sondern habe sich von Italien in die Schweiz begeben, wo er Anfang Februar auf Basis eines Europäischen Haftbefehls festgenommen wurde. Mehrere Zeugen wussten allerdings zu berichten, dass er im Jänner in Wien war, und eine Rufdatenerfassung ergab, dass sein Handy und das Smartphone der Getöteten Stunden nach der Bluttat jeweils gleichzeitig an den unterschiedlichsten Sendebereichen in Wien geortet werden konnten. Am Stärksten sprach ein DNA-Gutachten gegen die Version des Gambiers. An der Leiche wurden nicht nur Spermaspuren des 15-Jährigen, sondern auch des Gambiers sichergestellt. Dem Gutachten zufolge hatte Lauren M. noch mit Abdou I. Sex, nachdem der 15-Jährige die Wohnung verlassen hatte. Auf die Frage, ob die dem Angeklagten zugeordneten Spuren zumindest theoretisch auch ein anderer Mann verursacht könnte, meinte DNA-Expertin Christina Stein: "Höchstens ein eineiiger Zwilling."

"Klassisches Tötungsdelikt"
Gerichtsmediziner Daniele Risser ortete "ein klassisches Tötungsdelikt". Der Kopf der Frau sei "kraftvoll über einen längeren Zeitraum ins Bettzeug hineingedrückt worden". Die Leiche wurde spärlich bekleidet in Bauchlage vorgefunden, was darauf hindeutete, dass es unmittelbar nach dem Sex zum tödlichen Angriff gekommen war. "Die ganze Situation spricht für ein Überraschungsmoment", meinte Risser. Auf die Frage, wie lange das Verlegen der Atemwege gedauert haben müsse, erklärte der Sachverständige: "An die zehn Minuten."

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