Eis am Großglockner verschwindet

Nationalpark-Ranger zu Gletscherschmelze: "Kipppunkt liegt längst hinter uns"

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"Die Erde müssen wir nicht retten, wir sollten uns selbst retten."

Nationalpark-Ranger sind von Berufs wegen viel draußen unterwegs. Veränderungen in den sensiblen Landschaften bekommen sie ohne Umschweife mit. Als Augenzeugen der Klimakrise haben sie aber auch die einzigartige Chance, ihre Beobachtungen an Besucher weiterzugeben und Bewusstsein für die aktuelle Lage auf einer persönlichen Ebene zu schaffen. Konrad Mariacher arbeitet seit 1992 im Nationalpark Hohe Tauern und hat eine eigene Sicht auf die aktuellen Ereignisse.

Die Hauptaufgabe eines Rangers ist es, die Besucher in die Wunder und Einzigartigkeiten der Natur in ihrem Nationalpark einzuweihen. Sie haben die Gabe, Jung und Alt in Staunen zu versetzen und geben Wissen über die wichtigen Kleinigkeiten des Lebens in den unter Schutz gestellten Regionen weiter. Die Frauen und Männer, die ihre Dienste in einem der sechs österreichischen Nationalparks versehen, stehen aber auch als Zeugen der Klimaerwärmung in der ersten Reihe. So wie der Mölltaler Konrad Mariacher. Er ist Ranger der ersten Stunde im Nationalpark Hohe Tauern. Seit 1992 erzählt er Gästen alles rund um die Pasterze, dem größten Gletscher Österreichs und den Lebewesen, die diese Hochgebirgslandschaft so einzigartig machen.

Gletscherschmelze auch eine Chance

Dass die Pasterze rapide dahinschmilzt, ist ein Fakt, dem Mariacher mit Pragmatismus begegnet: "In den 31 Jahren, die ich hier arbeite, hat es immer wieder spannende Funde im Gletschereis gegeben. Dinge, die der Gletscher freigibt, ermöglichen uns einen Blick in die Vergangenheit, um letztlich etwas für die Zukunft zu lernen." Über Funde, wie der 2015 aus dem Eis geborgene etwa acht Meter lange Stamm einer Zirbe oder Torfablagerungen, die zeigen würden, dass 4.800 vor Christus die gleichen Weiden hier wuchsen wie jetzt, freut sich der drahtige Mann mit dem markanten schwarzen Filzhut besonders.

Konrad Mariacher Nationalpark Ranger Großglockner Gletscher
© APA/HELMUT FOHRINGER
× Konrad Mariacher Nationalpark Ranger Großglockner Gletscher

"Wir sollten uns selbst retten"

Es beweise, dass die Böden im Hochgebirge nicht immer mit Schnee und Eis bedeckt waren und dass es nicht das große Problem sein würde, wenn die Landschaft da heroben einmal grün wird. "Die Erde müssen wir nicht retten, wir sollten uns selbst retten. Der Mensch ist, wie er ist. Wir sollten endlich aufhören, vom Umweltschutz zu sprechen. Wir schützen doch eigentlich uns", gibt Mariacher zu bedenken. "Wenn ich denke, ich tu' mir selber was Gutes, bin ich vielleicht eher bereit, als wenn ich es für jemanden anderen tun sollte."

Absurde Rettungsprojekte

Solange die Menschheit nicht vom betriebswirtschaftlichen Denken weg kommt und nach immer mehr verlangt, ändere sich nichts, davon ist der Ranger überzeugt. Auch von Projekten, die Pasterze künstlich am Leben zu erhalten, hält er nicht viel. Die Idee einer Beschneiung war vor einiger Zeit im Gespräch, der Aufwand jedoch würde den Nutzen um ein Vielfaches überschreiten. Zu diesem Ergebnis war im vorigen Jahr auch eine Studie der Universität Graz gekommen. Zwar wäre genügend Wasser vorhanden, um eine Schutzschicht aus Schnee gegen das Abschmelzen über den Gletscher zu legen. Aus ökologischer sowie aus ökonomischer Sicht wäre so ein Vorhaben jedoch völlig absurd, wie der Hauptautor der Studie, Jakob Abermann, betonte.

Kippunkt für Schmelze bereits vor 30 Jahren

Der Naturbursch Mariacher nimmt den Gletscherschwund jedenfalls als gegeben hin: "Der Kipppunkt für das Verschwinden der Gletscher liegt längst hinter uns. Der war ungefähr 1990 bis 1995", sagt er ohne Anklage mit trockenem Realismus in der Stimme. Dieser Erkenntnis zum Trotz will er den Besuchern an seinem Arbeitsplatz, der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe am Fuße des Großglockners, den Blick für die unscheinbaren Schönheiten öffnen.

Konrad Mariacher Nationalpark Ranger Großglockner Gletscher
© APA/HELMUT FOHRINGER
× Konrad Mariacher Nationalpark Ranger Großglockner Gletscher

Er macht zum Beispiel auf Besonderheiten wie den lebend gebärenden Knöterich aufmerksam, eine kleine weiß blühende Pflanze in einer Wiese voller bunter Blütenköpfe, in der ein prachtvoll posierender Steinbock alle Blicke auf sich zieht. "Wenn es mir gelingt, die Menschen, die zu mir kommen, ein Stück weit zu sensibilisieren, sodass sie auch die Veränderungen ihrer Heimat sehen, ich glaube dann habe ich schon viel erreicht. Denn wenn man die Zusammenhänge sieht, dann ist es auch normal, dass man sich entsprechend verhält", ist Mariacher von der Botschaft seiner Worte überzeugt.

So wird man Nationalpark-Ranger

Die Ausbildung der Ranger hat sich seit 1992 stetig professionalisiert. Wer heute diesen Beruf ergreifen will, lernt in einem 17-tägigen Grundmodul naturschutzfachliche und rechtliche Grundlagen, ökologische Zusammenhänge, naturpädagogische Vermittlungsmethoden und Wesentliches aus den Bereichen Zoologie, Botanik, Geologie, Wetterkunde und Erste Hilfe. Das 25-tägige Aufbaumodul ist auf den jeweiligen Nationalpark zugeschnitten und schließt mit einer Prüfung ab. Nach Beendigung der Ausbildung müssen mindestens zwei Fortbildungstage pro Jahr absolviert werden.

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