Versteckt

Kampusch wurde zum Einsiedlerkrebs

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Drei Jahre nach ihrer dramatischen Flucht erzählt Natascha Kampusch über ihr derzeitiges Leben. Sie fühlt sich eingesperrt und missverstanden.

Natascha Kampusch gelang vor genau drei Jahren die Flucht aus dem Verlies, in das sie Wolfgang Priklopil acht Jahre lang sperrte. In einem sehr offenen und persönlichen Interview mit der renommierten Süddeutschen Zeitung beschreibt die mittlerweile 21-jährige Kampusch ihr Leben danach – es scheint geprägt von Einsamkeit. „Ich fühle mich wie eine Pflanze, die irgendwohin geschwemmt wird, kurzfristig Wurzeln fasst, dann wieder treibt ... Ich fühle mich schon ein Leben lang wie in einer Warteschleife, nun hoffe ich, dass bald der Hauptfilm anläuft.“

Kampusch fühlte sich wie ein Forschungsobjekt
„Ich habe Angstzustände, bin zum Einsiedlerkrebs geworden“, sagt Natascha.

Der Grund: Die aktuellen Spekulationen um die ungeklärten Hintergründe ihrer Gefangenschaft belasten sie enorm. Sie verschanzt sich derzeit zu Hause, hat keine Freunde. In der Wohnung züchtet sie Kakteen, stellt Objekte zu Stillleben zusammen und fotografiert sie. „Ich fürchte mich vor dem Ganz-Alleine-gelassen-Werden“, sagt sie leise dem Zeitungs­reporter.

Gleich nach ihrer Flucht begann ihr Leben erneut, zur Belastung zu werden: Jeder gab vor, das Beste für sie zu wollen, doch von den Ärzten im Wiener Krankenhaus wurde sie wie ein „Forschungsobjekt“ betrachtet.

Kampusch kann seitdem immer noch nicht die Kontrolle über ihr Leben übernehmen. Sie kann kaum eigene Entscheidungen treffen – immer drängen sich Berater auf, die den Kurs für sie vorgeben:

„Viele Menschen meinen, sie müssten mein Leben für mich in die Hand nehmen.“ Ihre Eltern, Mutter Brigitta Sirny und Vater Ludwig Koch, mischen sich ebenso andauernd ein: „In meinem Keller war ich perfekt, abgeschlossen und beendet. Aber heute haben mir die Leute mein Ich-Sein genommen … Damals war ich so, wie ich bin, wenn mich niemand beeinträchtigt.“

Aus diesem Grund zog sich das Entführungsopfer in der vergangenen Zeit noch mehr aus der Öffentlichkeit zurück. Sie lässt sich von Privatlehrern auf den Hauptschulabschluss vorbereiten.

Stark bedrängt wird Natascha, sobald sie auf die Straße tritt. Die zunehmenden Anfeindungen auf der Straße setzen ihr besonders zu. In Österreich rückt sie in den Augen der Menschen immer mehr von der Opfer- in die Täterrolle – erzählt Kampusch dem Reporter der Süddeutschen Zeitung. „Immer noch muss ich mich ständig verteidigen, weil ich bin, wie ich bin“, beklagt sich jetzt Kampusch. „Ich musste erwachsen werden auf einen Schlag.“

Natascha: „Täter wollte mich nicht einschränken“
Lange erzählt Natascha im Interview über ihren Entführer Wolfgang Priklopil: „Der Täter hat mich sein lassen, mich als mich eingesperrt. Das war so eine Ehrlichkeit. Er wollte, dass ich noch besser werde, mich nicht einschränke. Sie musste noch Ich sein, diese Person, die er unterdrückt, demütigt, quält und schlägt.“

Kampusch kann offensichtlich den Ort des Verbrechens nicht loslassen: Vor ungefähr einem Jahr kaufte sie sich das Haus. Sie kümmert sich darum, putzt und verbringt einige Zeit dort.

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