Schuldspruch nicht rechtskräftig

Bekannte in NÖ beraubt: Beschuldigter muss 11 Jahre in Haft

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Ein 50-Jähriger überfiel 2018 eine Bekannte und muss elf Jahre in Haft. Urteil nicht rechtskräftig.

Der Prozess gegen einen 50-Jährigen, der im September 2018 im Bezirk Gänserndorf eine Bekannte in deren Wohnhaus überfallen, gefesselt und beraubt haben soll, hat am Donnerstag in Korneuburg mit einem nicht rechtskräftigen Schuldspruch geendet. Der Angeklagte muss wegen Raubes für elf Jahre in Haft. Aufgrund des Rückfalls des einschlägig Vorbestraften erhöhte sich der Strafrahmen auf 15 Jahre.
 

Erschwerend waren mehrere Vorstrafen und der hohe Schaden

Milderungsgründe wurden vom Schöffengericht keine festgestellt. Als erschwerend wirkten sich neben mehreren Vorstrafen auch der besonders hohe Schaden aus, teilte die vorsitzende Richterin mit. In dieser Hinsicht war in der Anklage von rund drei Millionen Euro die Rede gewesen. Im Urteil wurde von 700.000 Euro ausgegangen, diese Annahme stützte sich laut Richterin auf die Aussage des ehemaligen Mithäftlings des 50-Jährigen.

Der Vorbestrafte traf sich am 23. September 2018 mit der Bekannten

Der einschlägig Vorbestrafte soll sich mit der um elf Jahre älteren Frau am 23. September 2018 in deren Wohngebäude getroffen haben. Der Anklage zufolge wollte der Mann Schmuck besichtigen. Die 61-Jährige kaufte demnach auf diversen Flohmärkten sowie bei Antiquitätenhändlern immer wieder wertvolle Gegenstände und war deshalb im Besitz einer entsprechenden Sammlung.
 

Frau zu Boden gestoßen und mit Kabelbindern gefesselt

Nachdem der Beschuldigte einen Ring ausgesucht hatte, packte er die Frau laut Anklage in der Nähe der Eingangstür am Oberkörper und stieß sie zu Boden. Danach soll der 50-Jährige das Opfer an den Händen mit mitgebrachten Kabelbindern gefesselt und dazu gezwungen haben, sich im Badezimmer in die Wanne zu setzen.
 

Schmuckschatullen im Wert von 2.927.050 Euro erbeutet

Mit Schlüsseln, die er der Frau zuvor abgenötigt haben soll, öffnete der Angeklagte mehrere Tresore im Haus. Zudem soll der Mann aus Schmuckschatullen Gegenstände im Gesamtwert von 2.927.050 Euro erbeutet haben. Bevor er das Haus verließ, soll der 50-Jährige den Kopf seiner Bekannten mehrmals mit einem Wollschal umwickelt und ihr das Handy abgenommen haben.
 

Opfer schrieb mehrere Mails, bevor sie Polizei anrief

Als die 61-Jährige bemerkte, dass der mutmaßliche Täter aus dem Gebäude gegangen war, befreite sie sich. Nachdem das Opfer mehrere Mails an die Polizei geschrieben hatte, verständigte es die Exekutive schließlich per Festnetz-Anruf. Die Frau erlitt der Anklageschrift zufolge leichte Prellungen, Abschürfungen an den Handgelenken sowie eine Beule am Kopf. Der Verdächtige wurde am 24. September 2018 gegen 5.00 Uhr festgenommen. Die Beute wurde laut Anklage bisher nicht gefunden.
 

Mann erklärte "Stein und Bein, dass er unschuldig ist"

Verteidigerin Astrid Wagner sprach in ihrem Eröffnungsvortrag davon, dass sie ihrem Mandanten "auf den Zahn gefühlt" habe. "Er erklärt aber Stein und Bein, dass er unschuldig ist." Es gebe einige Anhaltspunkte, die die Anklage in "einem anderen Licht erscheinen lassen". Kritisch sieht Wagner etwa die Schadenshöhe, die "rein aufgrund der Angaben" des Opfers ermittelt worden sei. Der Beschuldigte sei "ein Gelegenheitsdieb, aber kein Gewalttäter", hob die Rechtsanwältin hervor. Der 50-Jährige habe eine sexuelle Beziehung mit der Frau und auch einen Zweitschlüssel für deren Wohnhaus gehabt. Hätte er den Raub so wie in der Anklage vorgeworfen - nämlich unmaskiert - begangen, wäre der Beschuldigte "ins offene Messer gelaufen", weil die 61-Jährige ihn gekannt habe, sagte Wagner. "Für mich hat das Ganze mit verschmähter Liebe zu tun", erklärte die Juristin zum möglichen Motiv des Opfers, ihren Mandanten zu belasten.
 

Beschuldigte telefonierte am Tatabend in der Nähe des Tatorts

Der Staatsanwältin zufolge sind die Angaben des Beschuldigten als Schutzbehauptungen zu betrachten. Die Auswertung des Firmenhandys des Mannes ergab demnach, dass er am Abend des Vorfalls von der Nähe des Tatorts aus telefonierte. DNA des Beschuldigten sei unter anderem auf den Kabelbindern, mit denen das Opfer gefesselt wurde, gefunden worden. Zudem werde der Angeklagte von einem früheren Mithäftling belastet, hob die Staatsanwältin hervor.
 

Mann will Verhältnis mit Hauptbelastungszeugin gehabt haben

Abweichende Angaben machten beide hinsichtlich des persönlichen Verhältnisses, das sie zueinander hatten. Während der 50-Jährige angab, eine Beziehung mit der Pensionistin gehabt zu haben, bestritt die Hauptbelastungszeugin dies vehement.
 
Der Beschuldigte erklärte bei seiner Befragung, dass er über längere Zeit ein sexuelles Verhältnis mit der mittlerweile 62-Jährigen gehabt habe. Es sei dabei hauptsächlich um Kuscheln gegangen, sagte der 50-Jährige. Im Haus der Frau habe er außerdem immer wieder Gelegenheitsarbeiten verrichtet. Dass sich Wertgegenstände in dem Gebäude befanden, sei ihm bewusst gewesen.
 

Anstehende Arbeiten zwei Tage vor Überfall besprochen

Er sei am 21. September 2018, also zwei Tage vor dem mutmaßlichen Vorfall, zum letzten Mal im Haus der Pensionistin gewesen. Dabei seien hauptsächlich anstehende Arbeiten besprochen worden, sagte der Angeklagte. Das persönliche Verhältnis sei aber auch nicht ausgeschwiegen worden. "Ich habe zu ihr gesagt, ich komme gerne zu ihr arbeiten - aber ohne den Beziehungskram", schilderte der Beschuldigte. Dass die Frau ihn nun belaste, sei "eine Frechheit". Den DNA-Fund auf einem der Kabelbinder erklärte der Angeklagte damit, dass er ständig im Auftrag der Frau Arbeiten verrichtet habe, bei denen er Kabelbinder benötigt habe.
 

"Das ist eine glatte Lüge"

Die 62-Jährige bestritt bei der Befragung, ein Verhältnis mit dem Beschuldigten gehabt zu haben. "Das ist eine glatte Lüge", sagte sie zu den Angaben des Angeklagten. Der Mann habe ihr niemals Avancen gemacht, er habe aber insgesamt rund 20 Mal für sie Arbeiten verrichtet.
 
Die Gegenstände, die ihr seit dem Vorfall fehlen, habe sie in den Tagen danach protokolliert und die jeweiligen Wiederbeschaffungswerte auf einer Online-Plattform zur Bewertung herangezogen. "In Wirklichkeit ist es wahrscheinlich wesentlich mehr", sagte die 62-Jährige, die sich laut eigenen Angaben seit 1989 mit Schmuckgegenständen beschäftigt. Der Versicherung habe sie den Vorfall "relativ spät" gemeldet und bis dato noch nichts ersetzt bekommen.
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