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Vier Tage kämpfte sich ein Wanderer verletzt und orientierungslos durch das unwegsame Hintergebirge.

Ein Burgenländer irrte vier Tage durch das Hintergebirge – verletzt, barfuß und ohne Essen. Sein Retter hat vor einem Jahr Ähnliches erlebt. Was Josef Nolz (40) aus Weiden am See erlebt hat, zählt zu den Urängsten des Menschen: verschollen in verlassener Gegend, orientierungslos, ohne Nahrung.

Dabei will der Tischler aus dem Burgenland die schönen Seiten der Natur genießen, als er samstags am Bahnhof von Schönau an der Enns (Bezirk Steyr-Land) das Auto abstellt, um zum Wandern aufzubrechen. Sein Ziel: der Borsee an der Schleifenbachklause, der am Rundweg um den 1415 Meter hohen Kühberg liegt. An diesem Stausee kommt der dreifache Vater aber nie an.

Abgestürzt
„Ich habe das Auto mit Neusiedler Kennzeichen am Samstag am Bahnhof stehen sehen“, sagt Josef Rappl (49). Der Förster wohnt mit Frau Barbara (46) auf der anderen Seite des Kühbergs, in Kleinreifling. „Am Montag war der Wagen immer noch da. Ich hab’ mir gedacht, der wäre hier auf Besuch.“

Zu diesem Zeitpunkt irrt Nolz bereits durch das Hintergebirge. Er war ausgerutscht und abgestürzt, einen Berghang hinab geschlittert. Im Unterholz zerriss es ihm dabei Schuhe und Hose. Am Ende verliert der Mann das Bewusstsein – wie lange er im Wald liegt, weiß niemand.

Funkloch
Irgendwann rappelt sich Nolz auf und sucht den Weg zurück in die Zivilisation. Vier Tage schleppt sich der 40-Jährige durch die Wälder, trinkt Wasser aus Bächen, isst Beeren.

Mehr als zehn Kilometer hat er zurückgelegt, Todesängste ausgestanden, als er am Mittwoch gegen zehn Uhr die ersten Häuser von Kleinreifling erreicht.

„Wir haben unseren Augen nicht getraut,“ berichtet Förster Rappl. Nolz trägt nur Hemd und Unterhose, stützt sich auf einen Ast. „Er hat geschunden ausgeschaut, Blut im Gesicht, die Füße blau geschwollen.“

Gedächtnisverlust
Das Ehepaar nimmt Nolz mit ins Haus, gibt ihm Decken und etwas zu trinken, bis die Rettung kommt. „An seinen Namen hat er sich erinnern können. Was passiert ist, hat er nicht gewusst.“ Die Ärzte im Krankenhaus Am­stetten/Mauer bestätigen einen Gedächtnisverlust und mittlere Verletzungen.

„Er hat Glück gehabt“, sagt Rappl. Er weiß, wovon er spricht: Im Vorjahr stürzte er mit dem Jeep von der Forststraße 40 Meter ab, überschlug sich mehrmals. Mit offenem Oberschenkelbruch und Blutverlust schleppte er sich zwei Kilometer zu einem Haus.

„Das Hintergebirge ist ein Haupteinsatzgebiet“, sagt der Leiter der Bergrettung Kurt Weymayer. Unfälle beim Wandern oder bei Forstarbeiten sind häufig. Das Problem: „Funk und Handys funktionieren hier nicht, ich streite seit langem mit dem Land um Verbesserung.“ Keine Möglichkeit, um Hilfe zu rufen – Nolz wie Rappl hätte das beinahe das Leben gekostet.

Info-Box: Opfer der Bergwelt
Immer wieder fordert Oberösterreichs Bergwelt ihre Opfer.

Mehrmals im Jahr müssen die Bergretter ausrücken, um verirrte Wanderer zu suchen, die vom Weg abgekommen oder abgestürzt sind. Meist werden sie innerhalb weniger Stunden gefunden. Es gab aber auch spektakuläre Fälle, bei denen die Suche erfolglos blieb oder die Verunglückten zu spät entdeckt wurden.

Das größte Drama geschah am Gründonnerstag im Jahr 1954. Auf dem Krippenstein verliefen sich zwölf Schüler und ein Lehrer aus Heilbronn im Schneesturm. Alle 13 kamen ums Leben.

Glück hatte dagegen der 40-jährige Amerikaner Ken Cichowicz. Das „Wunder vom Dachstein“ war im Oktober 1985 beim Eisklettern 70 Meter abgestürzt und in einer fünf Meter tiefen Gletscherspalte gefangen. Nach 19 Tagen entdeckte ihn schließlich eine Hubschrauber-Besatzung. In den 90ern blieb die Suche nach zwei Verschollenen im Toten Gebirge und im Traunstein-Gebiet erfolglos.

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