Die Republik soll zwei Paare für Diskriminierung entschädigen.
Österreich verstößt mit seinem Verbot von Eizellen- und Samenspenden für Befruchtungen im Labor gegen das Grundrecht auf Schutz der Familie. Außerdem diskriminiere dieses Verbot unfruchtbare Paare, stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Donnerstag fest. Die Straßburger Richter gaben damit zwei österreichischen Paaren Recht, deren Kinderwunsch wegen des fraglichen Verbots unerfüllt blieb. Ihnen muss Österreich nun jeweils 10.000 Euro Schadensersatz zahlen.
Verhinderung von "ungewöhnliche Familienverhältnisse"
Eines
der beiden Paare kann keine Kinder bekommen, weil die Frau zugewachsene
Eileiter hat und ihr Mann unfruchtbar ist. Das Paar beantragte daher als
einzige Möglichkeit eine Befruchtung im Reagenzglas mit Samen eines
Spenders, was die Behörden ablehnten. Im zweiten Fall hat die Frau keine
eigenen Eizellen, ihr Mann ist hingegen zeugungsfähig. Das Paar wollte daher
eine In-Vitro-Befruchtung mit Eizellen einer Spenderin. Auch dieser Antrag
wurde abgelehnt.
Beide Paare zogen bis vor den Verfassungsgerichtshof in Wien, der ihre Beschwerden 1999 abwies. Das Gericht stützte sich auf die österreichische Gesetzgebung, die Befruchtungen mit gespendeten Samen zwar in der Gebärmutter zulässt, aber nicht im Reagenzglas, also in vitro. Es bekräftigte auch das generelle Verbot von Eizellen-Spenden. Zum einen sollten damit "ungewöhnliche Familienverhältnisse" verhindert werden, bei denen ein Kind zwei Mütter habe - eine biologische und eine, die es ausgetragen habe, argumentierten die Verfassungsschützer.
Verbot führt zur Diskriminierung
Sie verwiesen zugleich auf
das Risiko, dass Frauen aus "sozial benachteiligten Schichten" unter Druck
gesetzt werden könnten, um Eizellen zu spenden. Der Straßburger
Gerichtshof ließ diese Argumente nicht gelten. Er erinnerte daran, dass auch
Adoptionen zu "ungewöhnlichen Familienverhältnissen" führten, weil die
Kinder nicht biologisch von den Eltern abstammten. Zudem seien Organspenden
gegen Entgelt in Österreich grundsätzlich verboten. Das Verbot von
In-Vitro-Befruchtungen mit dem Samen eines Spenders wiederum diskriminiere
Paare, die wegen verstopfter Eileiter der Frau nicht auf diese Methode
zurückgreifen könnten.
Das Urteil wurde von einer kleinen Kammer gefällt. Beide Seiten können es binnen drei Monaten anfechten. Der Gerichtshof kann den Fall dann zur Überprüfung an die aus 17 Richtern bestehende Große Kammer überweisen.