Angeklagter krankheitsbedingt nicht erschienen. Gegner der Corona-Maßnahmen vom Gericht ohne Maske als Zeuge vernommen. Auf Ende November vertagt.
Am Dienstag ist am Wiener Landesgericht der Prozess gegen den Ex-Politiker und Anti-Corona-Aktivisten Martin Rutter fortgesetzt worden, dem im Zusammenhang mit einer Großdemo gegen die Corona-Maßnahmen versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen wird. Mit Zustimmung von Verteidiger Michael Drexler wurde in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt, der krankheitsbedingt nicht erschien. Sein Mandant sei nicht an Covid-19 erkrankt, versicherte Drexler auf APA-Anfrage.
Rutter soll den Versuch unternommen haben, Polizeibeamte mit Gewalt an seiner Identitätsfeststellung zu hindern, indem er einem Beamten einen Stoß versetzte. Er hatte sich dazu beim Prozessauftakt Anfang Oktober "nicht schuldig" bekannt. Darüber hinaus war er zu keinen weiteren Angaben bereit.
Nun wurden mehrere Zeugen befragt, darunter andere Manifestanten. Die Demo am 31. Jänner 2021 hatte auch Teilnehmer aus den Bundesländern nach Wien gelockt. Unter ihnen war ein 45-jähriger Kärntner, der nun ohne Maske oder Mund-Nasen-Schutz im Verhandlungssaal erschien, was an sich der aktuellen Rechtslage und der Hausordnung im Grauen Haus widerspricht. Diese sieht das Tragen einer FFP2-Maske "innerhalb aller öffentlich zugänglichen Bereiche des Gerichtsgebäudes" vor, wie einem Aushang zu entnehmen ist, der schon vor Wochen alle paar Meter angebracht wurde. Auch entsprechende Piktogramme wurden achiffiert.
Der maskenlose Zeuge berief sich auf eine "Befreiung aus gesundheitlichen Gründen". Er bekomme "Panikattacken, wenn ich etwas vor dem Gesicht habe". Auf die Frage der Richterin, ob er geimpft, genesen oder wenigstens getestet sei, ließ sich der Mann nicht ein: "Es gilt die Glaubhaftmachung gemäß Paragraf 20 Covid-19-Maßnahmenverordnung." Sich vor dem Gerichtstermin einem Corona-Test zu unterziehen, sei in seinem Fall "erstens schwierig und zweitens ist es nicht notwendig". Auf die weitere Frage der Richterin, wie er überhaupt ohne Maske ins Gebäude gelangt sei, erwiderte der Kärntner: "Es hat keiner was gesagt."
Schließlich fragte die Richterin den Zeugen, ob er bereit sei, sich ein Plexiglas-Gesichtsschild überzustreifen. "Na gut, als Kompromiss", gab sich der äußerst selbstbewusst auftretende Mann generös.
Anschließend behauptete er - wie bereits zwei unmittelbar zuvor vernommene Gegner der Corona-Maßnahmen -, die Polizei sei damals ohne Not gewalttätig gegen friedliche Demonstranten vorgegangen: "Brillen sind geflogen, Handys sind geflogen, Menschen sind auf die Straße geflogen. Es ist irrsinnig brutal durchg'fahren worden." Die Demo sei von den Behörden "illegal verboten" worden, also habe man sich "friedlich versammelt." Rutter habe sich gegen seine Identitätsfeststellung nicht gewehrt, versicherte der 45-Jährige: "Ich kenne ihn ganz gut, menschlich. Ich weiß, dass er nicht so dumm ist, wenn sie seine Personalien wollen. Es wäre ganz widersinnig, da Widerstand zu leisten."
Ein anderer Demonstrant, der immerhin mit einem Mund-Nasen-Schutz als Zeuge auftrat, erklärte unter Wahrheitspflicht, die Polizei habe die Teilnehmer "durch die Stadt gehetzt". Wörtlich gab er zu Protokoll: "Es war eine Hetzjagd, wo Frauen attackiert wurden." Rutter habe geahnt, "dass etwas passieren wird", tatsächlich sei dann die Polizei "reinknallt", habe Rutter aus der Menge gezogen, fixiert und "mit Gewalt festgenommen".
"Sie (die Polizei, Anm.) haben ihn die ganze Zeit gesucht in der Menge. Es ist von oben angeordnet worden. Das war politisch, meiner Meinung", mutmaßte dieser Zeuge. Rutter habe "vor der Festnahme bis zur Fixierung nix gemacht. Er hat sich gar nicht wehren können. Er hat sich einfach festnehmen lassen. Es war gescheit genug, dass er sich nicht gewehrt hat."
Ganz anders klang das, was ein junger Polizist ausführte. "Das war eine von den chaotischen Demos. Es war schwierig, die Kontrolle über die Situation zu bekommen", schilderte er dem Gericht. Etliche Demonstranten hätten sich nicht an die Regeln gehalten, weder Maske getragen noch den Mindestabstand beachtet. Daher habe man Identitätsfeststellungen aufgrund von Verwaltungsübertretungen vorgenommen. "Grundsätzlich ist bei Covid-Demos immer mit Gegenwehr zu rechnen. Aber nicht so wie damals", setzte der Beamte fort. Rutter habe "mitbekommen, dass er eine Identitätsfeststellung bekommt. Die Leute um ihn haben sich uns entgegenzustellen begonnen. Mit relativ viel roher Gewalt". Er selbst sei aufgrund dessen zu Sturz gekommen, "jemand ist mir dann auf den Kopf gestiegen".
Der Polizist, dem Rutter einen Stoß versetzt haben soll, fehlte ebenfalls krankheitsbedingt. Zwecks Befragung dieses Zeugen wurde die Verhandlung auf 26. November vertagt.