MA-35-Bediensteter behielt sich in 172 Fällen Gebühren für Verleihung der Staatsbürgerschaft ein
"Es war ein Teufelskreis, in dem ich gesteckt bin und aus dem ich nicht mehr rausgekommen bin" - mit diesen Worten hat am Montag ein früherer Wiener Magistratsbediensteter im Straflandesgericht zu erklären versucht, weshalb er im großen Stil Gelder unterschlug. Der bei der MA 35 Beschäftigte zweigte über einen Zeitraum von drei Jahren nicht weniger als 247.000 Euro ab. Motiv: Spielsucht.
Der Mann hatte 2009 bei der für Einwanderung und Staatsbürgerschaft zuständigen Magistratsabteilung zu arbeiten begonnen. Ende 2013 fing er an, Gebühren, die bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft fällig wurden, nicht weiterzuleiten. Er steckte die Beträge in die eigene Tasche - in nicht weniger als 172 Fällen. "Es war kein Plan von mir, den ich zu Hause ausgearbeitet habe", behauptete der Angeklagte. Es sei "durch Zufall" bzw. "aus dem Bauch heraus passiert".
Die unterschlagenen Beträge trug der Mann umgehend in Spielhallen, denen er schon seit mehreren Jahren verfallen war: "Mit der Zeit wurde es immer schlimmer und schlimmer." Das Glücksspiel habe ihn von seinen Problemen - Stress im Job, Schwierigkeiten mit der Ehefrau - abgelenkt: "Ich war in der Situation komplett mit meinem Leben überfordert."
Um seine Manipulationen zu verschleiern, ließ der Beamte die Akten, die sich für ihn bezahlt gemacht hatten, verschwinden. Er schaffte sie heimlich aus dem Büro und lagerte sie in einem eigens dafür angemieteten Abteil eines Self-Storage-Ladens ein. Am Vermögen geschädigt wurden nicht die Parteien in den betreffenden Staatsbürgerschaftsverfahren, da diese die Urkunden rechtsgültig verliehen bekommen hatten, sondern das Amt der Wiener Landesregierung, das um die entsprechenden Gebühren umfiel.
Erst im September 2016 fielen die Machenschaften des Mannes auf. Das Arbeitsverhältnis wurde aufgelöst. In weiterer Folge ging seine Ehe endgültig in die Brüche. Zur Behandlung seiner Spielsucht unterzog sich der Mittdreißiger einer zweimonatigen stationären Therapie, die derzeit ambulant fortgesetzt wird. Mittlerweile hat der Mann wieder eine Beschäftigung in einem Autohaus gefunden. Nebenbei jobbt er als Lagerarbeiter, um Schadenswiedergutmachung leisten zu können.
Der Schöffensenat verurteilte ihn am Ende wegen Veruntreuung unter Ausnützung einer Amtsstellung und Urkundenunterdrückung zu 21 Monaten Haft. Davon wurden sieben Monate unbedingt ausgesprochen, den Rest bekam der bisher Unbescholtene unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen. Außerdem muss er bei sonstiger Exekution die lukrierten Beträge ratenweise zurückbezahlen sowie seine Therapie fortsetzen. Das Urteil ist rechtskräftig. Möglicherweise kann der Mann seinen unbedingten Strafteil in Form des elektronisch überwachten Hausarrestes verbüßen - die Entscheidung darüber liegt beim Leiter der Justizanstalt, die ihm zum Strafantritt zugeteilt wird.