Gestern und heute kämpfen Kandidaten und Politik noch um jede Stiftungsratsstimme.
Wien. Die Telefone glühten gestern. Die drei aussichtsreichsten Kandidaten, ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, ORF-Vizefinanzchef Roland Weißmann und ORF-1-Senderchefin Lisa
Totzauer kämpften noch um jede ORF-Stiftungsratsstimme. Am Dienstag wird schließlich der ORF-Top-Job neu gewählt werden. Die Wahl entwickelt sich zum Polit-Thriller. Denn der vermeintlich „unabhängige“ Stiftungsrat wird großteils von den Parteien gesteuert. Und die greifen – wie eh und je – nach der Macht im ORF:
- Die ÖVP – sie will Roland Weißmann statt Wrabetz – hat de facto die absolute Mehrheit im 35-köpfigen Stiftungsrat. Neben ihren 16 Partei-Stiftungsräten kommen noch „Unabhängige“ und Betriebsräte dazu, die ihnen zugerechnet werden. So kommen sie auf mindestens 18 Stimmen.
Gestern hieß es, dass Weißmann sogar mit mehr Stimmen rechnen könnte. So wurde damit spekuliert, dass der rot-blaue Stiftungsrat aus Kärnten – Siggi Neuschitzer – sich „dem Sieger anschließen könnte“. Eigentlich sollte er aber Wrabetz wählen. Mindestens zwei ÖVP-Stiftungsräte dürften allerdings für Totzauer stimmen.
Wen die Parteien als ORF-Chef forcieren
- Die Grünen wiederum sollen noch mit sich ringen. Der Chef der grünen Stiftungsräte, Lothar Lockl, dürfte dazu tendieren, Weißmann zu wählen. Für ihn sei entscheidend, dass man die „Unabhängigkeit stärke, ein starkes Team zusammenstelle und die Digitalisierung“ forciere. Wie die drei grünen Stiftungsräte stimmen werden, dürfte erst heute fixiert werden. Möglich ist sogar, dass die drei Grünen für drei unterschiedliche Kandidaten stimmen.
- Die SPÖ will wiederum Wrabetz wählen. Sie hat 5 Stimmen. Zudem gibt es zwei SPÖ-Betriebsratsstimmen, die ebenfalls Wrabetz wählen sollten. Aber schon die Stimme des SPÖ-Stiftungsrates aus dem Burgenland – Werner Dax – sei nicht fix, hieß es.
- Die Neos-Stiftungsrätin Anita Zielina sitzt mit Corona in New York fest und muss ihre Stimme übertragen. Die Neos sollen zu Lisa Totzauer neigen. Andere berichten, dass sie Wrabetz wählen könnten.
- Die FPÖ dürfte gespalten sein. Stiftungsratsvorsitzender Norbert Steger will Weißmann wählen. Heute sitzen die blauen Stiftungsräte zusammen. FPÖ-Chef Kickl ist jedenfalls gegen Weißmann. Die drei FPÖ-Stiftungsräte (exklusive Steger) schwanken zwischen Totzauer und Online-Chef Thomas Prantner, der als FPÖ-nahe gilt.
Wahl am Dienstag. Morgen Abend könnten sich die ersten Nebel lichten. Am Dienstag findet dann nach den Hearings mit den Kandidaten die offene Wahl statt. Die ÖVP rechnet damit, dass Weißmann bereits im ersten Wahlgang über 20 Stimmen erhalten könnte. Aber: Wenn Totzauer ihm mehrere „schwarze“ Stimmen stiehlt, könnte es doch zu einem zweiten Wahlgang kommen (wenn kein Kandidat im 1. Wahlgang die absolute Mehrheit erhält).
Ausschreibungs-Wirbel. Gestern wurde noch lanciert, dass einige Stiftungsräte Sorge wegen den Ausschreibungskriterien hätten. Wrabetz hatte im oe24.TV-Interview damit aufhorchen lassen, dass Weißmann die Kriterien nicht erfüllen würde, weil er kein Unternehmen geführt habe …