Algerischer Flüchtling starb

Todes-Stiche am Praterstern: Prozess beginnt

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Angeklagter wollte algerischen Asylwerbern angeblich nur Angst machen.

Mit Notwehr hat sich am Montag im Wiener Landesgericht ein 40-jähriger Mann verantwortet, der in der Nacht auf den 11. September 2015 am Praterstern zwei algerische Asylwerber niedergestochen hatte. Einer der beiden überlebte die Verletzungen nicht. Der wegen Mordes Angeklagte behauptete nun, er sei von insgesamt fünf Männern verfolgt worden und hätte diese nur einschüchtern wollen.

Angeklagter war auf dem Heimweg

Der gebürtige Serbe, der in Begleitung eines Freundes am Heimweg war, wurde gegen Mitternacht vor dem Bahnhofsgelände von einer Frau auf Substitol angesprochen. Weil diese nicht von ihm abließ und er vor allem von ihrem Rottweiler bedrängt wurde ("Ich habe eine Phobie vor Hunden"), versetzte er ihr schließlich eine kräftige Ohrfeige, so dass sie zu Boden ging. Mehrere junge Algerier, die die Szene beobachtet hatten, nahmen die Verfolgung des 40-Jährigen auf. Sie wollten ihn offenbar zur Rede stellen.

Der 40-Jährige - er war immer wieder illegal nach Österreich gekommen, um sich hier als Gelegenheitsarbeiter zu verdingen - erklärte nun einem Schwurgericht (Vorsitz: Andreas Böhm), er habe sich von den Männern bedroht gefühlt, "weil sie so viel herumgeschrien haben". Er habe davonlaufen wollen, doch ihn hätten die Kräfte verlassen, so dass er sich an einer Säule festhalten musste. Einer der Algerier sei sogleich auf ihn losgegangen, die anderen hätten ihn umkreist, ihm ins Gesicht geschlagen und Fußtritte versetzt: "Ich habe schon gehört, wie mein Kniegelenk knistert. Sie wollten mich zu Boden stürzen."

"Wollte ihnen Angst machen"

Weil die anderen in der Überzahl waren, habe er sich "nicht richtig" verteidigen können. Als ihm auch noch einer auf den Rücken sprang, habe er sein Messer gezogen, schilderte der Angeklagte: "Ich habe es aufgeklappt, damit sie es sehen. Ich wollte ihnen Angst machen." Dessen ungeachtet habe einer der Algerier nach seiner Hand gegriffen. Beim Versuch, sich loszureißen, müsse er zwei Männer mit der Waffe erwischt haben: "Ich wollte sie nicht stechen. Ich wollte niemanden verletzen."

Diese Schilderung stand im Widerspruch zu den Angaben des 40-Jährigen bei der Polizei und seiner Version im Zuge eines gerichtlichen Lokalaugenscheins, wo er zwar auch von einem gegen ihn gerichteten Angriff, aber durchaus zielgerichteten Stichen gesprochen hatte. Fest steht, dass er zunächst einem 35-Jährigen einen Bruststich versetzte. Der Schwerverletzte lief noch rund 150 Meter, ehe er zusammenbrach. Eine Notoperation rettete ihm das Leben. Weniger Glück hatte ein 37-Jähriger, dem das Messer ins Auge und den Oberbauch drang. Aufgrund des Stichs ins Gesicht erlitt der Mann eine Hirnlähmung, die selbst dann tödlich verlaufen wäre, wenn der Betroffene sofort auf einen OP-Tisch gekommen wäre, wie Gerichtsmediziner Christian Reiter erläuterte. Beide Algerier waren übrigens unbewaffnet.

Staatsanwältin von Schuld überzeugt

"Wo die Notwehr herkommen soll, weiß ich nicht. Der Angeklagte hatte keine objektivierten Verletzungen", führte Staatsanwältin Ursula Kropiunig ins Treffen. Für sie lag nahe, dass Mord bzw. versuchter Mord gegeben waren: "Meiner Meinung nach will man jemanden töten, wenn man einem ins Auge und den in den Oberkörper sticht." Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft in dieser Sache allerdings Anklage wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung erhoben. In einer ersten Verhandlung Ende Mai fällte ein Schöffensenat aber ein Unzuständigkeitsurteil, da für das Gericht auf Basis der gerichtsmedizinischen Feststellungen ein Tötungsvorsatz nicht auszuschließen war. Damit wurde zwingend die Befassung eines Schwurgerichts nötig.

Der Angeklagte beteuerte am Ende seiner ausführlichen Befragung, dass ihm das Ganze leid tue: "Jeden Tag in der Haft träume ich davon. Es ist wegen einer Dummheit passiert."

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