Interview

Westenthaler: "Habe nur Job gemacht"

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Ex-Politiker und Ex-Bundesliga-Geschäftsführer Westenthaler über Anklage und späte Reue.

Fünf Prozess­tage hat Peter Westenthaler (47) hinter sich. Den Donnerstag wird er wieder am Wiener Straflandesgericht verbringen: Dann sollen Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) und Ex-Sportstaatssekretär Karl Schweitzer (BZÖ) als Zeugen aussagen. Für den Ex-Politiker und ehemaligen Bundesliga-Geschäftsführer geht es bei dem Prozess um alles, wie er zu ÖSTERREICH am SONNTAG sagt: „Die Gesamtsituation übersteigt die Grenzen meiner Belastbarkeit – finanziell, wirtschaftlich, psychisch und physisch.“ Er wolle nicht weh­leidig klingen, aber er leide unter „Schlafstörungen“ und es gebe viele „Momente des Verzweifelns“.

Missbrauch
Westenthaler wird u. a. vorgeworfen, Sonderförderungen als Bundesliga-Vorstand missbräuchlich verwendet zu haben. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung – er selbst sagt: „Ich habe nur meinen Job gemacht.“

 

ÖSTERREICH: Sie sind am Donnerstag 47 Jahre alt geworden. Gefeiert?
Peter Westenthaler: Das war sicherlich der traurigste Geburtstag in meinem Leben. Die Gesamtsituation übersteigt die Grenzen der Belastbarkeit – finanziell, wirtschaftlich, psychisch und physisch. Ich habe vier Kilo seit dem Beginn des Verfahrens abgenommen. Das fünfjährige Verfahren wird mich rund 100.000 Euro kosten – ungeachtet des Urteils. Das Geld muss man erst einmal verdienen.

ÖSTERREICH: Sie sind ins Immobiliengeschäft gewechselt. Konnten Sie dort schon Fuß ­fassen?
Westenthaler: Ich habe es versucht und bin mittendrin. Meine Firma ist an meinem Geburtstag, am 6. November, ein Jahr alt geworden. Jeder, der eine Firma gründet, weiß, wie schwer die ersten Monate sind. Und wenn dann noch eine Situation wie meine in diese Zeit fällt, ist das fast nicht zu handeln. Bei mir steht alles. Natürlich hat man sein Netzwerk, aber wenn ein Verfahren läuft, dann verliert man Aufträge oder bekommt einige erst gar nicht angeboten.

ÖSTERREICH: Wie geht Ihre Familie mit der Situation um?
Westenthaler: Meine Tochter Conny ist im Maturajahr, muss ihre Maturaarbeit schreiben. Man versucht, an den prozessfreien Tagen alles auszublenden. Aber das geht nicht. Meine Frau und meine Tochter sind es nicht gewohnt, so eine extreme Drucksituation auszuhalten. Ich will keine Details beschreiben, weil ich nicht wehleidig klingen will. Aber es gibt Schlafstörungen und ­Momente des Verzweifelns. Familie und Freunde geben mir aber Kraft.

ÖSTERREICH: Sie sind aus der Politik doch Gegenwind gewöhnt …
Westenthaler: Aber das jetzt ist mit nichts vergleichbar. Ich wünsche selbst meinen damaligen schwersten Gegnern nicht, was mir im Moment widerfährt: Wenn man sich zu 100 Prozent seiner Unschuld bewusst ist und dessen, dass man nichts angestellt hat, und muss sich vom Staatsanwalt im Anfangsplädoyer anhören, dass man ein Verbrecher sein soll, dann fängt man an, am Rechtsstaat zu zweifeln

ÖSTERREICH: Wittern Sie eine Verschwörung?
Westenthaler: Nein. Aber natürlich gibt es Einzelne in der Staatsanwaltschaft, die den Peter Westenthaler gern hinter Gittern sehen würden. Dabei war es meine Aufgabe, dem Fußball Geld zu verschaffen. Durch den bisherigen Verlauf des Verfahrens habe ich allerdings eine gewisse Zuversicht, dass es gut ausgehen wird. Ohne ­etwas vorwegzunehmen: Wenn der Vertragspartner ÖFB, vertreten durch den Präsidenten, uns massiv entlastet. Wenn die drei Nachfolger, die die Million zu verantworten hatten, sagen, dass alles in Ordnung ist und das Geld den Vereinen letztlich zugekommen ist: Dann bin ich erleichtert und vom Schlachtruf „Westenthaler hat alle getäuscht“ ist zumindest nach fünf Verhandlungstagen nicht viel übrig.

ÖSTERREICH: Wie sehr hadern Sie heute damit, dass Sie je Politiker waren?
Westenthaler: Die erste Phase in den 90ern möchte ich nicht missen. Es war eine schnelllebige, intensive, erfolgreiche Zeit. Man wurde von Wahlerfolg zu Wahlerfolg gepusht. Ich war der kleine Vorstadtjunge in der großen Politik. Es war eine tolle Zeit. Aber zum zweiten Teil meiner Polit-Zeit, zu meiner Rückkehr zum BZÖ, muss ich sagen: Ich bereue. Das war im Nachhinein gesehen mein Lebensfehler: zurückzukehren in die Politik. Comebacks sind generell nicht gut, aber im Sport und in der Politik sollte man nie zurückkehren.

ÖSTERREICH: Soll von Ihnen als Politiker etwas bleiben?
Westenthaler: Nein. Diesen Ehrgeiz habe ich nicht mehr. Ich habe so wie nie zuvor mit der Politik abgeschlossen. Man stumpft so ab, wenn man das erlebt, was ich die vergangenen vier Jahre durchgemacht habe. Ob ich die Abfertigung neu für Arbeiter vor zehn Jahren durchgesetzt habe: 1.000 Rosen – das interessiert jetzt niemanden mehr. Ich bin 1987 wegen Jörg Haider in die Politik gegangen. Und verkürzt gesagt: Ich bin aus der Politik gegangen, als er sein tragisches Schicksal erlitten hat.

ÖSTERREICH: Zweifeln Sie nicht zumindest jetzt an ihm? Bayer-LB-Chef Schmidt hat gesagt, Haider habe ihn bestochen.
Westenthaler: Das ist doch lächerlich. Da geht es doch nicht um Schmiergeld. Ein Landeshauptmann verkauft eine kaputte Bank den Bayern, was an sich schon genial war. Dann verhandelt er noch Sponsorgelder für den Stadionbau heraus. Das ist doch kein Schmiergeld, sondern legitim. Verwerflich wäre es, wenn sich dabei jemand bereichert hätte.

ÖSTERREICH: Entsteht bei Ihnen aber nicht auch ein fahler Geschmack beim Gedanken an Schwarz-Blau, wenn man an Causen wie Grasser oder Strasser denkt?
Westenthaler: Nein, weil jeder Fall einzeln zu beurteilen ist. Es wird sicher Menschen geben, die sich am System bereichert haben. Das liegt nahe. Ich war es sicher nicht. Persönliche Bereicherung ist mir auch nie vor­geworfen worden. Aber es wird oft mit zweierlei Maß gemessen: Haselsteiner kann in der ZiB2 sagen, dass er 2005 dem BZÖ 300.000 Euro gegeben hat – für irgendeine Studie. Bei ihm passiert nichts. Und wenn die Casinos Austria das machen, soll ich Beitragstäter vom damaligen Boss Leo Wallner sein. Das ist absurd. Soeben hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen die Flughafenmanager eingestellt, obwohl dort 420 Millionen Euro in den Sand gesetzt wurden. Ich stehe wegen einer Fördermillion für den Fußball vor Gericht, die insgesamt sechsmal geprüft, für in Ordnung befunden und nach meiner Amtszeit abgerechnet wurde!

ÖSTERREICH: Würden Sie heute noch einmal in die Politik gehen?
Westenthaler: Nein. Und ich würde auch niemandem raten, je in die Politik zu gehen. Denn die Politik ist ein Geschäft, wo Fairness und Dankbarkeit keine Kategorien sind. Die Politik ist wie eine große Bühne, auf der jeder seine Rolle zu erfüllen hat. Ich habe damals als Generalsekretär beispielsweise eine Speerspitze und Schutzschild in einer Person sein müssen. Da darfst du nicht zimperlich sein, musst mit dem Säbel und nicht mit dem Florett kämpfen. Aber bei meinem Abgang habe ich versucht, deutlich zu machen, dass es mir leidtut, wenn ich jemandem weh­getan habe. Ich wollte keine Scherben liegen lassen, wenn ich ausscheide. Das war aber leider für vieles zu spät. Oder es war der Fehler der Rückkehr, als Spitzenkandidat und Parteiobmann für das BZÖ anzutreten. Damals habe ich mir offenbar mächtige Feinde gemacht. Ich behaupte: Wenn ich nicht zum BZÖ wäre, hätte es das Verfahren jetzt nicht gegeben, weil sich kein Mensch dafür interessiert hätte, was vor zehn Jahren in der Bundes­liga passiert ist.

ÖSTERREICH: Haben Sie je daran gedacht, das Land zu verlassen?
Westenthaler: Oh ja, das denke ich mir sogar noch immer. Allerdings wehren sich meine Frau und meine Tochter. Darum ist es nicht machbar. Aber ich habe während meiner Magna-Zeit die USA gut kennengelernt. Vor allem die Westküste hat es mir angetan. Ich denke mir: Eine Idee wäre, dort eine Bäckerei aufzumachen. Dort gibt es ganz furchtbare Gebäcksorten, die Amerikaner lechzen geradezu nach österreichischem Gebäck. Ob ich das je umsetze? Wir werden sehen. Jetzt ist mein sehnlichstes Ziel, Gerechtigkeit und Ruhe zu finden.

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