Die Sammlungen des Naturhistorischen Museums in Wien fanden bei Revisionen ihres Bestands ein unerwartetes Objekt.
Ein besonders wertvoller Sammlungskomplex sind die Knochen und Zähne fossiler Wirbeltiere aus den ehemaligen Tongruben von Hernals im 17. Wiener Bezirk, die im Bereich des heutigen Postsportvereins Wien in der Roggendorfgasse (48°13'25"N, 16°19'35"E) gefunden wurden.
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Im 19. Jahrhundert in Ziegelgruben gesammelt
Heute längst unter der Stadt verschwunden, waren die Ziegelgruben bis ins frühe 20. Jahrhundert im Stadtbild allgegenwärtig. Vor 12,2 Millionen Jahren lag das Gebiet nahe der Küste eines warmen Meeres. Robben und Delphine lebten im fischreichen Flachmeer. Ihre Knochen bildeten in den Tongruben eine dünne Schicht, die im 19. Jahrhundert intensiv besammelt wurden.
Hautplatte des Alligators aus Hernals
Hunderte dieser ansonst sehr seltenen Fossilien liegen in den Laden des NHM Wien und werden bis heute von Forscher*innen aus der ganzen Welt studiert. Zusätzlich war diese Schicht reich an Panzerteilen und Knochen von Weichschildkröten.
Letztes bekanntes Krokodil Mitteleuropas
Nun ergab eine neuerliche Untersuchung, dass sich in den Resten ein kleiner Alligator der Gattung Diplocynodon befindet. Die Tiere waren etwa 2 Meter lang und lebten in den Sümpfen und Flusslandschaften im Hinterland des Meeres. Wie ihre modernen Verwandten erbeutete sie wahrscheinlich Fische, Vögel, Schildkröten und kleinere Säugetiere. Nur sehr selten gelangten Kadaver dieser Süßwassertiere durch Flüsse bis ins Meer. Der Hernalser Alligator ist das letzte bekannte Krokodil in Mitteleuropa.
Paläogeographie des Wiener Beckens vor 12,2 Millionen Jahren
Erst vor rund 6 Millionen Jahren erreichten auch echte Krokodile aus Afrika kommend Süditalien. Sie konnten sich aber nicht weiter nach Norden ausbreiten und starben bald wieder aus. Für das Verschwinden von Diplocynodon hat die Arbeitsgruppe um den Studienleiter Univ. Prof. Dr. Mathias Harzhauser auch eine neue Hypothese. Es dürfte weniger die Abkühlung gewesen, sein, die die Alligatoren vertrieb, denn der moderne Mississippi Alligator kann sogar in gefrorenen Tümpeln überleben. Vielmehr dürfte eine Phase ungewöhnlicher Trockenheit vor etwa 12 Millionen Jahren die Lebensräume der Alligatoren bedroht haben.