In Wien verdienen manche Politiker über 11.000 Euro im Monat, obwohl sie keine Ressorts betreuen. Die Diskussion um diese umstrittenen Stadträte ohne Amtsführung ist nun neu entfallmt. Der Auslöser ist der bevorstehende Abschluss der Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und Neos.
Im Rathaus laufen die Gespräche auf Hochtouren. Die neue Stadtregierung steht kurz vor der Präsentation. Doch während sich die Parteien um Programme und Positionen bemühen, brodelt es hinter den Kulissen. Der Grund liegt nicht nur im Machtgefüge. Es geht auch um Posten, Prestige und ein politisches Kuriosum, das nur Wien kennt.
Der Wiener Stadtsenat zählt derzeit zwölf Mitglieder. Nach der Wahl fehlt der bisherigen Koalition aus SPÖ und Neos jedoch die Mehrheit. Nun beraten die Parteien, ob sie die Zahl der Stadträte erhöhen oder reduzieren. Die SPÖ möchte den Senat erweitern. Damit bekämen die Sozialdemokraten einen zusätzlichen Sitz. Die Neos fordern das Gegenteil. Eine Verkleinerung würde hingegen der FPÖ einen Posten kosten. Beide Wege führen rechnerisch zu einer neuen Mehrheit für SPÖ und Neos.
Doch in dieser Diskussion taucht ein alter Streitpunkt wieder auf. Gemeint sind die nicht amtsführenden Stadträte. Diese Personen gehören offiziell zum Stadtsenat. Sie verwalten jedoch kein Ressort. Diese Rolle existiert ausschließlich in Wien. Die Bundeshauptstadt ist gleichzeitig ein Bundesland. Deshalb ist der Stadtsenat laut Verfassung nach Mandatsverteilung zu besetzen.
Gehalt ohne Gegenleistung
Rund 11.328 Euro pro Monat erhalten die nicht amtsführenden Stadträte. Amtsführende Kolleginnen und Kollegen beziehen über 20.000 Euro monatlich. Für die nicht amtsführenden Posten gibt es keine klaren Aufgaben. In Zeiten steigender Kosten und öffentlicher Sparmaßnahmen wirkt diese Praxis wie ein Fremdkörper.
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Bereits 2016 wollten alle Parteien außer den Freiheitlichen diese Funktion abschaffen. Daran hat sich auch nichts geändert, wie eine Nachfrage von "Wien heute" bestätigt. Möglich wäre eine Reform auf zwei Wegen. Entweder durch eine Verfassungsänderung oder durch Zuweisung echter Aufgaben. Letzteres würde aus symbolischen Kräften wieder aktive Stadträte machen.
Erhalt der Kontrollrechte
Die Grünen und die ÖVP verweisen auf einen anderen Aspekt. Sie fordern den Erhalt der Kontrollrechte für diese politischen Rollen. Laut Verfassungsjurist Peter Bußjäger ließe sich das ohne großen Aufwand realisieren. Rechte auf Akteneinsicht, Anträge und Minderheitenschutz könnten erhalten bleiben. Das Problem sei nicht die Verfassung. Es gehe vielmehr um den politischen Willen, Strukturen zu verändern.
Was bleibt, ist ein schaler Beigeschmack. Während Bürgerinnen und Bürger sparen, gönnt sich die Politik Gagen für Positionen ohne Funktion. Eine absurde Praxis, deren Ende längst überfällig scheint.