Ein 49 Jahre alter Mann, der in der Nacht auf den 4. August 2022 in Wien-Mariahilf seine 32-jährige Lebensgefährtin und deren 14 Jahre alte Tochter erwürgt hat, ist am Mittwoch am Landesgericht wegen Doppelmordes rechtskräftig zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Der Schuldspruch der acht Geschworenen fiel einstimmig aus. "Dafür gibt es nur die lebenslange Freiheitsstrafe", lautete die knappe Urteilsbegründung der vorsitzenden Richterin.
Die beiden Söhne der getöteten Frau bekamen vom Gericht jeweils 25.000 Euro an finanzieller Wiedergutmachung zugesprochen, der leibliche Vater der 14-Jährigen sowie der Halbbruder der 32-Jährigen je 10.000 Euro. Der Verurteilte nahm das Urteil an, das nach dem Rechtsmittelverzicht der Staatsanwältin sogleich in Rechtskraft erwuchs.
Angeklagter gestand: "Ich bin schuldig zum Doppelmord"
Während der Angeklagte zu Beginn der Verhandlung einen Sex-Unfall behauptet hatte, änderte er am Nachmittag plötzlich seine Verantwortung. "Ich bin schuldig zum Doppelmord", gab er zu Protokoll und erklärte gleichzeitig, keine weiteren Angaben mehr machen zu wollen.
Bis dahin hatte der Mann dargelegt, seine Freundin habe im Zuge einer von ihr erwünschten sadomasochistischen Sex-Praktik das Bewusstsein verloren und sei nicht mehr aufgewacht: "Leider habe ich nicht mitbekommen, dass sie bewusstlos ist." Es sei in der Vergangenheit "öfters passiert", wenn man miteinander intim wurde, "dass sie bewusstlos ist und nach zehn Minuten aufgewacht ist". Er habe seine Freundin "aufwecken" wollen: "Aber sie hat sich nicht mehr bewegt."
Zum gewaltsamen Tod der 14-Jährigen behauptete der Angeklagte, diese sei plötzlich aus dem Kinderzimmer gekommen und habe zu schreien begonnen: "Die Sache ist außer Kontrolle geraten." Er habe dem Mädchen "Hör auf zu schreien! Hör auf zu schreien!" zugerufen, allerdings vergebens. "Die Tochter wollte mit ihrer Mutter sprechen." Er sei in der Situation "überfordert, verzweifelt" gewesen. "Um sie ruhig zu stellen, hat er sie zu würgen begonnen", ergänzte sein Verteidiger Manfred Arbacher-Stöger. Sein Mandant sei grundsätzlich "ein relativ ruhiger Typ" und damals eigentlich auf einen "romantischen Kerzenabend" eingestellt gewesen.
So kam es zum späten Geständnis
Zum späten Geständnis im Sinne der Doppelmord-Anklage kam es, nachdem ein Video mit der kontradiktorischen Einvernahme des neunjährigen Sohnes der getöteten 32-Jährigen im Gerichtssaal abgespielt wurde. Der Bub war im Ermittlungsverfahren schonend zu seinen Wahrnehmungen in der der Tatnacht befragt worden, was ihm nunmehr ein Erscheinen bei Gericht ersparte. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder - der Siebenjährige war bzw. ist nicht vernehmungsfähig - hatte er im Zeitpunkt der Tat im Kinderzimmer geschlafen und war durch Schreie der Schwester aufgewacht, die er zunächst darauf zurückführte, "dass sie eine Spinne gesehen hat", wie er in seiner Befragung schilderte.
In Wahrheit ging der Stiefvater gewalttätig auf sie los, was der Neunjährige in wesentlichen Teilen mitbekam. Die Mutter war laut Anklage zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Als der 49-Jährige den Buben wahrnahm, herrschte ihn dieser dessen Darstellung zufolge an, sofort ins Kinderzimmer zurückzugehen. Der Neunjährige legte sich ins Bett - und gab vor zu schlafen, als der Stiefvater in weiterer Folge zwei Mal in das Zimmer kam, nachdem in den übrigen Räumlichkeiten Ruhe eingekehrt war.
Bub: "Ich hab' mich schlafend gestellt"
"Ich hab' mich schlafend gestellt", erklärte der Bub in seiner Befragung. Auf die Frage nach dem Warum entgegnete er, er habe sich "sehr gefürchtet, dass er mich umbringen will".
Zuvor hatte bereits die Staatsanwältin der ursprünglichen Version des Angeklagten fundamental widersprochen, die strafrechtlich einer fahrlässigen Tötung gleichgekommen wäre. Sie sah im Angeklagten einen Doppelmörder, der - aus welchen Gründen auch immer, der 49-Jährige hatte bis zur Hauptverhandlung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch und keine Angaben zum Tathergang und der Motivlage gemacht - seine Freundin und deren ältestes Kind aus einer vorangegangenen Beziehung vorsätzlich getötet habe, während die ebenfalls nicht leiblichen Söhne des Angeklagten nebenan im Kinderzimmer schliefen. Für die Version des Angeklagten gebe es keine Belege, sie decke sich nicht mit der Spurenlage am Tatort, betonte die Anklagevertreterin.
Ein mögliches Motiv erhellte sich aus dem Video mit dem Neunjährigen. Dieser schilderte, zwischen seiner Mutter und dem Stiefvater sei es "sehr oft" zu Streit gekommen, weil diese ihn erwischt hätte, als er mit dem Handy mit anderen Frauen kommunizierte. Er habe schon länger "das gefühlt, dass er so etwas machen (offenbar gemeint: gewalttätig werden, Anm.) wird", erzählte der Volksschüler. Und weiter: "Manchmal habe ich in seine Augen geschaut und das gesehen. Gespürt."
Staatsanwältin: "Es gibt ganz viele Beweise"
"Es gibt ganz viele Beweise, dass er es war", hatte die Staatsanwältin unter Verweis auf Tatort- und DNA-Spuren keine Zweifel an der Schuld des Angeklagten. Für die Tat gebe es "keine plausible Erklärung" und "keine Verantwortung, die das nachvollziehbar macht", hielt die Staatsanwältin fest: "An einer Verurteilung wegen Mordes führt kein Weg vorbei".
Die dreifache Mutter hatte den Mann - einen gebürtigen Tunesier, der seit 2016 keiner geregelten Beschäftigung nachging - über eine Dating-App kennengelernt. Als die beiden Söhne der Frau am Morgen nach der Bluttat aufwachten, fanden sie in der Wohnung weder die Mutter noch die ältere Schwester vor. Die Leichen waren vor dem Morgengrauen in das Schlafzimmer gebracht, der Raum verschlossen, der Schlüssel abgezogen worden. Der 49-Jährige befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf der Flucht Richtung Frankreich.
Weil die beiden Buben Hunger hatten, suchten sie gemeinsam einen Supermarkt auf und kauften sich etwas zum frühstücken. Danach gingen sie zu einer Augenärztin, weil der Neunjährige eine Kontrolltermin wegen seiner Kontaktlinsen hatte. In der Ordination kam es dem Personal eigenartig vor, dass die Kinder diesmal ohne ihre Mutter erschienen. Weil die zwei nichts zum Verbleib der Frau angeben konnten, verständigte die Ärztin die Polizei. Diese hielt in der Wohnung in der Mollardgasse Nachschau. Die Beamten fanden den Schlüssel zum Schlafzimmer, öffneten die Tür und entdeckten die Toten, wobei der Mund der Mutter noch mit einem grauen Klebeband umwickelt war.
"Massiver Angriff gegen den Hals"
"Die Frau ist durch einen massiven Angriff gegen den Hals in Kombination mit Ersticken gestorben", legte Gerichtsmediziner Nikolaus Klupp nun dar. Abwehrverletzungen wies die Leiche der dreifachen Mutter keine auf. Die 14-Jährige starb laut Klupp infolge eines "Angriffs gegen den Hals mit der Hand", wobei sich das Mädchen vermutlich gewehrt haben dürfte.
Der dringend Tatverdächtige konnte am 13. September bei Brest in Nordfrankreich festgenommen werden. In weiterer Folge wurde er von den französischen Behörden ausgeliefert. Wie sich bei der Auswertung seiner Handy-Daten herausstellte, dürfte er die gegen ihn laufenden Fahndungsmaßnahmen kontinuierlich mitverfolgt haben. Er hatte entsprechende Suchbegriffe in Verbindung mit seinem Namen gegoogelt, etwa "Interpol Fahndungsliste 2022". Daneben hatte er allerdings auch "Liebe finden in Paris" oder "Porn Free - Teenager" in die Suchmaske eingetippt.