Daniel S. im Interview

Opfer: 'Täter suchte sich gezielt Juden aus'

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Daniel S. ist sich sicher: Der Angriff hatte einen antisemitischen Hintergrund.

Nachdem der 24-jährige Burkay S. am Donnerstag in der Wiener Leopoldstadt mehrere Passanten attackiert hat, wurde er in Verwahrungshaft genommen. Unter den Opfern waren auch mehrere Juden. Gegen den Österreicher wird wegen schwerer Körperverletzung und gefährlicher Drohung ermittelt, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nina Bussek, am Freitag.

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© TZOe Eckhardt
Eines der Opfer, Daniel (22): "Ich habe noch immer starke Schmerzen"

Daniel S.: "Angriff war antisemitisch"

ÖSTERREICH-Reporterin Larissa Eckhardt sprach mit Opfer Daniel S.

ÖSTERREICH: Wie ist diese Attacke genau abgelaufen?

Daniel S.: Ich hatte gerade die Synagoge verlassen und war auf der Taborstraße unterwegs, auf dem Weg nach Hause. Plötzlich spürte ich einen festen Tritt von hinten in die Hüfte.

ÖSTERREICH: Hat der Angreifer Ihnen etwas zugerufen?

Daniel S.: Nein, kein Wort. Dieser Angriff kam ohne Vorwarnung. Ich war im ersten Moment total durcheinander. Er muss Anlauf genommen haben, weil er irgendwie aus dem Sprung heraus auf mich eingetreten hat. Es tut mir noch immer weh.

ÖSTERREICH: Hat er Sie dann weiter attackiert?

Daniel S.: Nein. Ich habe mich umgedreht und da sah er mich so hasserfüllt an. In diesem Moment habe ich Angst bekommen. Ich dachte, dass er noch ein Messer dabei haben könnte. Ein Freund hat das Ganze beobachtet und die Polizei gerufen. Sie haben gesagt, dass wir ihm nachgehen sollen. Wir sind ihm dann vorsichtig bis zum Schwedenplatz gefolgt und haben der Polizei immer wieder durchgegeben, wo wir sind. Am Schwedenplatz wurde er dann in der Station von vier Polizisten verhaftet.

ÖSTERREICH: War diese Attacke antisemitisch?

Daniel S.: Ich habe von meinem Freund gehört, der das gesehen hat, dass der Täter zwei andere Männer, nach einer Zigarette gefragt hat, bevor er sie mit Fäusten und Tritten ins Gesicht schlug. Mein Freund hat dann beobachtet, wie er die Taborstraße überquerte und direkt auf mich zuging. Ich glaube, dass dieser Angriff antisemitisch war, weil er nur Juden attackiert hat. Wir waren alle als Juden erkennbar. Ich trug eine Kippa und meine Zizit sowie eine Tefillin-Tasche. Die anderen Juden trugen auch Kippot.

Video zum Thema: Kippa-Träger auf offener Straße attackiert

IKG-Präsident Deutsch: "Wir wehren uns!"

Auch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, sprach am Freitag in einer Presseaussendung von einem gezielten Angriff gegen österreichischen Juden. "Nach den Schilderungen besteht kein Zweifel über das antisemitische Motiv des Angreifers", so der IKG-Präsident. Die Angegriffenen haben Verletzungen erlitten, aber "sie haben sich gewehrt und den Angreifer in die Flucht geschlagen", betont er.

"Diese Woche war geprägt von politischen Angriffen gegen das Judentum und einer antisemitischen Attacke gestern. In dieser Stimmung der Verunsicherung ist es wichtig zu betonen, dass sich die jüdische Gemeinde sowohl politisch, juristisch als auch physisch zur Wehr setzt", so Deutsch.

Video zum Thema: Attacke auf Juden in Wien

Verdächtiger in Verwahrungshaft

"Wir gehen von zumindest drei Opfern aus", sagte die Behördensprecherin. Noch sei das Ermittlungsverfahren am Anfang, weitere Opfer könnten hinzukommen. Auch seien sie noch nicht alle einvernommen worden, Aussagen von Zeugen müssen erst eingeholt werden. Unter den Opfern sollen jedenfalls nicht ausschließlich Juden sein. Dass die Übergriffe des 24-Jährigen antisemitisch motiviert waren, "kann ich nicht bestätigen", betonte Bussek. Eine diesbezügliche Information wurde der Behörde von der Polizei bisher auch nicht übermittelt, sondern die Auskunft, dass es sich um "wahllos ausgesuchte Opfer" gehandelt hätte. Die Staatsanwaltschaft wartet noch auf einen schriftlichen Bericht der Exekutive.

Attacke Juden Kippa Wien Täter
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Burkay S. (24) vor seiner Festnahme

Ermittelt wird jedenfalls wegen gefährlicher Drohung und schwerer Körperverletzung. Im Paragraf 83 Strafgesetzbuch (StGB) ist geregelt, dass dieses Delikt auch für Täter gilt, die "mindestens drei selbstständige Taten (§ 83 Abs. 1 oder Abs. 2) ohne begreiflichen Anlass und unter Anwendung erheblicher Gewalt begangen" haben. Für die schwere Körperverletzung drohen bis zu drei Jahre Haft.

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Der mutmaßliche Täter nach seiner Festnahme

So reagiert die Politik

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) twitterte am Donnerstagabend, dass ein möglicher antisemitischer Hintergrund geprüft werde. Die Regierung kämpfe "entschieden gegen jede Form von Antisemitismus". Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), zeigte sich in einem Facebook-Posting am Donnerstag schockiert. Der von ihm als antisemitisch eingestufte Vorfall zeige aber auch, "dass wir uns nicht einschüchtern lassen und uns zur Wehr setzten." Deutsch dankte einem IKG-Mitarbeiter, der Augenzeuge des Übergriffs auf einen Kippa-Träger wurde, die Polizei verständigte und den Angreifer verfolgte.

Schockiert zeigte sich auch FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus in einer Aussendung am Freitag. Beim Angreifer handle es sich um einen Mann mit türkischem Migrationshintergrund. "Seit Jahren warnen wir vor diesem aus muslimischen Ländern importierten Antisemitismus. Ich kann es nicht akzeptieren, dass Wiener aufgrund des Tragens einer Kippa attackiert werden", so Gudenus.

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