Prozess

Sohn (49) ging mit Schnitzelklopfer auf Vater los

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Der 49-Jährige glaubte in einer Art "Doppelgängerwahn", dass sein 79-jähriger Vater ein Schauspieler sei, der von der Mafia angeheuert wurde. 

Wien. Weil er seinen Vater für einen von der albanischen Mafia ausgetauschten Doppelgänger hielt, hat ein 49-jähriger Wiener dem 79 Jahre alten Mann am 20. August 2023 in der gemeinsamen Wohnung in Wien-Meidling mit einem Schnitzelklopfer aus Holz einen Schlag auf den Kopf versetzt. Außerdem soll er ihm mit einer Schere in die Brust gestochen haben. "Ich wollte ihn betäuben, dass ich die Polizei rufen kann", schilderte der 49-Jährige beim Prozess am Mittwoch am Landesgericht.

Die Exekutive hätte in der Vorstellung des Mannes "den Unterschied zwischen dem Vater und dem Doppelgänger ermittelt und den richtigen Vater gesucht", wie dieser einem Schwurgericht (Vorsitz: Nicole Baczak) darlegte. Er habe in weiterer Folge auf die Festnahme des falschen Vaters gehofft. Es sei ihm nur um eine "leichte Verletzung" gegangen, betonte der 49-Jährige.

Prozess Mord versuch auf Vater
© Fuhrich
× Prozess Mord versuch auf Vater

Es war ein ungewöhnlicher Prozess, den eine Schulklasse mit großem Interesse im bis auf den letzten Platz gefüllten Gerichtssaal verfolgte. Begleitet wurde die Verhandlung von teilweise unerträglichem Baulärm - das Landesgericht wird bei laufendem Betrieb einer Bestandssanierung unterzogen. Die Einvernahme des 49-Jährigen musste mehrfach aufgrund plötzlich einsetzendem Presslufthammer-Getöse unterbrochen werden. Es kam auch zu merkbaren Erschütterungen, die sogar dazu führten, dass im Beratungszimmer der Geschworenen plötzlich ein stiller Alarm losging. Darauf erschienen kurze Zeit später zwei Polizeibeamte im Gerichtssaal, um der vermeintlichen Gefährdungslage auf den Grund zu gehen. "Entschuldigung, es ist nix. Es ist nur die Baustelle", gab die Richterin mit möglichst charmantem Lächeln Entwarnung.

Obwohl der attackierte 79-Jährige laut gerichtsmedizinischem Gutachten eine Schädelprellung sowie eine Rissquetschwunde samt Einblutung in die weiche Schädeldecke in der rechten oberen Scheitelregion erlitten hatte und der Stich in den linksseitigen Brustkorb die Brusthöhle eröffnete und die Lunge beschädigte, ging es in der Geschworenenverhandlung nicht um versuchten Mord. "Es ist ein tragischer Fall", betonte die Staatsanwältin eingangs. Zwar habe der 49-Jährige versucht, "seinen Vater umzubringen. Aber nicht, weil er ein kaltblütiger Killer ist. Er ist krank".

Die Staatsanwältin verwies diesbezüglich auf das Ergebnis eines eingeholten psychiatrischen Gutachtens. Die Sachverständige Sigrun Rossmanith stellte bei dem Mann eine schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung, nämlich eine schizoaffektive Psychose fest, in deren Zentrum das Capgras-Syndrom steht, das in der Fachliteratur auch als so genannter Doppelgängerwahn bekannt ist. "Der Mann ist somit nicht zurechnungsfähig", erläuterte die Anklagevertreterin. In Folge dessen und weil er gefährlich sei, habe man seine Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum im Sinne des § 21 Absatz 1 StGB beantragt: "Er hat nämlich die ganze Zeit seine Medikamente nicht genommen." Deswegen habe der Betroffene plötzlich geglaubt, sein Vater sei ein Doppelgänger, "den er beseitigen muss, um zu seinem echten Vater zu kommen". Im Maßnahmenvollzug seien die durchgehende medikamentöse Behandlung, aber auch therapeutische Begleitmaßnahmen gewährleistet, betonte die Staatsanwältin.

Der 49-Jährige erklärte den Geschworenen, an "heißen Tagen" habe er seine Medikamente nicht eingenommen, weil ihm die "bei Hitze" nicht gut täten: "Da sind so Nebenwirkungen. Und ich muss stark schwitzen." Während sein Vater ein Damenfußballmatch im Fernsehen verfolgte, habe er "blöderweise den Fleischhammer genommen" und diesem damit "eine leichte Verletzung am Kopf gemacht." Dabei liebe er seinen Vater und verstehe sich mit diesem gut: "Wir machen zusammen Spaziergänge, wir gehen zusammen ins Wirtshaus." An "so heißen Tagen" gehe es ihm aber nicht gut: "Ich hab' nachgedacht damals und geglaubt, die organisierte Kriminalität hat ihn (den Vater, Anm.) ausgetauscht."

Konkret bildete der 49-Jährige sich seinen Angaben zufolge ein, vor dem Fernseher säße ein von der Mafia angeheuerter Schauspieler, während sein richtiger Vater woanders hin verbracht worden sei. Auf die Idee kam er deswegen, "weil der vor mir andere Merkmale gehabt hat am Körper. Und die Narbe am Bauch hat anders ausgeschaut. Sie ist an dem Tag eher schräg verlaufen." Er habe daher "das Double" betäuben wollen.
 

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