Kleine Reaktoren sollen Europas Klimaziele retten, doch Experten in Wien schlagen Alarm. Wiens Klimastadtrat sieht in der Atomstrategie keinen Fortschritt, sondern eine Sackgasse. Die Analyse der Wiener Umweltanwaltschaft bestätigt die Bedenken
Die EU-Kommission plant eine neue Atomstrategie mit sogenannten Small Modular Reactors (SMR). Diese kleinen, modularen Reaktoren sollen helfen, die Klimaziele bis 2050 zu erreichen. Aus Wien kommt jedoch scharfer Gegenwind. Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ), Vorsitzender des Netzwerks "Cities for a Nuclear Free Europe", kritisiert die Pläne als gefährlichen Irrweg.
"Seit mehreren Jahrzehnten werden kleine Reaktoren als vermeintliche Heilbringer der Atomindustrie präsentiert. Allerdings gibt es noch keine kommerziell genutzte Anlage. Bisherige Versuche mussten aufgrund technischer und wirtschaftlicher Probleme wieder eingestellt werden", so Czernohorszky. Nach seiner Einschätzung ist kein einziges SMR-Konzept derzeit einsatzbereit. Jede Umsetzung würde jahrelange technische Entwicklungen, Genehmigungen und aufwändige Testphasen erfordern.
Atomkraft ist kein Klimaretter
Die Zeit für Experimente sei angesichts der Klimakrise jedoch nicht vorhanden. "Gegen den Klimawandel müssen wir wirkungsvolle Maßnahmen setzen, die schnell greifen. In Wien ist das der Ausbau erneuerbarer Energieträger, die schnell umsetzbar und noch dazu deutlich günstiger als alle Atomkraftideen sind", so Czernohorszky. Im Jahr 2024 wurden in der EU rund 80 Gigawatt erneuerbare Leistung errichtet. Insgesamt beträgt die grüne Energieproduktion bereits 850 Gigawatt. Der gesamte Atomsektor liegt mit 100 Gigawatt deutlich darunter.
Sicherheitsrisiko: Studie zeigt Probleme von SMR auf
Eine Studie der Wiener Umweltanwaltschaft stellt zusätzliche Risiken in den Raum. "Um die Wirtschaftlichkeit erreichen zu können, müssten in Europa Hunderte Small Modular Reactors errichtet werden. Viele Anlagen wären somit auch in unmittelbarer Nähe zu Wohngebieten und würden ein immenses Sicherheitsrisiko darstellen", so Norbert Hörmayer, Stellvertreter der Wiener Umweltanwältin. Die Vorstellung kleiner Reaktoren als ungefährliche Alternative sei trügerisch.
Für Czernohorszky ist klar, wohin die Investitionen fließen sollten. "Da in den kommenden Jahren noch mit einer weiteren Steigerung im Erneuerbaren-Bereich zu rechnen ist, sollten wir diese Entwicklung weiter fördern. Investitionen in Atomkraft binden finanzielle Mittel, die für die Umsetzung der Energiewende dringend benötigt werden", so der Stadtrat.