Abermals spaltet die Klimakrise die Koalition. Die grüne Klubobfrau Sigi Maurer kritisiert die jüngsten Aussagen von Sebastian Kurz.
Der Weg aus der Klimakrise spaltet weiter die Koalition. "Wer glaubt, die Klimakrise bewältigen zu können, ohne etwas zu verändern, der lebt in der Steinzeit", konterte die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer am Donnerstag den jüngsten Aussagen von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Der hatte sich zuletzt offen gegen die Grüne Umweltministerin Leonore Gewessler positioniert.
Verkehrs- und Klimapolitik
Anlass für die erneuten Scharmützel im Zusammenhang mit der Verkehrs- und Klimapolitik war ein Vorarlberg-Besuch des Kanzlers, in dessen Rahmen er sich klar auf die Seite von Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) gestellt und den Bau der Bodensee-Schnellstraßen S18 zugesichert hat - obwohl das Verkehrsprojekt wie viele andere derzeit im Auftrag der Umweltministerin evaluiert wird. "Der Kanzler hat hier seine persönliche Meinung geäußert", meinte Maurer. Denn im Nationalrat sei erst am Montag mit großer Mehrheit von vier Fraktionen - ÖVP, Grünen, SPÖ und NEOS - ein Entschließungsantrag beschlossen worden, der die Prüfung einer umweltfreundlicheren und schnelleren Alternative zur S18 vorsieht - dies sei also ein klarer Auftrag aus dem Parlament an die Regierung, betonte Maurer.
Kurz: "Auf Innovation und Technik setzen"
Kurz hatte gegenüber den "Vorarlberger Nachrichten" auch gesagt, "dass es vollkommen falsch wäre zu glauben, dass wir das Klima in Zukunft dadurch retten können, dass wir uns nur noch im Verzicht üben", denn "der einzig richtige Zugang" sei, auf Innovation und Technologie zu setzen. "Der Verzicht auf Mobilität, der Verzicht zum Arbeitsplatz zu fahren und auf Individualverkehr, das wird nicht funktionieren", befand er in den "VN". "Ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass unser Weg zurück in die Steinzeit sein sollte. Ich halte weder etwas von der ständigen Politik des erhobenen Zeigefingers noch von Fantasien, dass man irgendwie leben könnte wie im vergangenen Jahrhundert."
Eine große Belastung fürs Koalitionsklima sieht Maurer in den Aussagen des Kanzlers zwar nicht - "wir haben bei vielen Dingen unterschiedliche Ansichten". Dennoch lässt die Grüne Klubobfrau den Seitenhieb des Kanzlers auf ihre Partei nicht auf sich sitzen: Man habe Klimaneutralität und ein Ende der Bodenversiegelung vereinbart, und die Evaluierung der Straßenbauprojekte sei ein Schritt dazu. "Wir reden nicht von Eisbären auf weit entfernten Polkappen, sondern die Auswirkungen der Klimakrise sind direkt bei uns spürbar", verwies Maurer auf Hitzewellen und Überschwemmungen. "Den Bäuerinnen und Bauern vertrocknet die Ernte auf den Feldern", warnte sie. "Die Menschen erwarten sich zurecht, dass die Politik alles daran setzt, die Klimakrise hintanzuhalten", erklärte Maurer. "Wer glaubt, die Klimakrise bewältigen zu können, ohne etwas zu verändern, der lebt in der Steinzeit", richtete sie Kurz aus.
Türkis-grüne Koalition hat Zukunft
Sie teile die Einschätzung, dass Innovation und Wissenschaft ein elementarer Bestandteil im Kampf gegen die Klimakrise seien - "und die Wissenschaft sagt ganz klar, es muss sich etwas ändern", betonte Maurer. "Ich habe den Eindruck, dass noch nicht ganz erkannt wurde, wie drängend das Problem für die Menschen in Österreich ist", kritisierte sie den Koalitionspartner. Es gehe darum, den Kindern eine intakte Natur übergeben zu können. Dennoch glaubt Maurer, dass die türkis-grüne Koalition Zukunft hat: "Selbstverständlich", meinte sie auf eine entsprechende Frage, denn man habe gemeinsame Ziele vereinbart, und Ministerin Gewessler arbeite mit aller Kraft daran.
Gewessler gibt sich gelassen
Die Umweltministerin selbst hatte sich bereits zuvor am Rande einer Pressekonferenz gelassen gegeben. "Ich kann mit der Diskussion relativ wenig anfangen", sagte Gewessler zu den Aussagen des Kanzlers. Die Klimakrise stelle "unsere Lebensgrundlage in Frage". Gewessler sieht großen Handlungsbedarf. "Wir haben im letzten Jahr sehr intensiv erlebt, was es heißt, auf einem kranken Planeten zu leben. Auf einem kranken Planeten gibt es kein gesundes Wirtschaften", so die Umweltministerin. Es gehe darum, dass "wir in Österreich noch ein gutes Leben haben können 2040, 2050. Dafür müssen wir jetzt etwas tun." Sie sei "ganz bei der Meinung des Herrn Bundeskanzlers, das heißt nicht zurück in die Vergangenheit, das heißt mutig vorangehen." Man dürfe sich gerade jetzt "nicht von altem Denken bremsen lassen" und nicht immer auf jene hören, "die automatisch nein sagen", fügte sie freilich hinzu.
Streit um Straßenbauprojekte
Der Streit zwischen Grünen und ÖVP um die Straßenbauprojekte schwelt schon seit drei Wochen. Da wurde bekannt, dass die Neubauprojekte der Asfinag aktuell im Rahmen einer Evaluierung bis Herbst geprüft werden, darunter auch heiß umstrittene wie der Lobautunnel in Wien. Die Länder protestierten lautstark, auch die Bundes-ÖVP kritisierte Gewessler seither mehrfach.